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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.

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wohner arm und in äußerstes Elend versetzt hatte. Mehrere von den Mädchen, die ich als Knabe kannte, haben die Zeugen einer unerlaubten Lebensart zur Welt gebracht und leben zum Theil noch ohne Männer, und kämpfen mit Armuth und Verachtung. Sie waren nicht jene Unglückliche, die in einem Augenblick sich vergessen, und die eine allzugroße Zärtlichkeit zu einem Schritt verleitet, den sie nachher bereuen: Sie waren vielmehr Koketten, kannten nicht die sanfte, reine Liebe, die uns der Schöpfer so wohlthätig eingepflanzt hat, und überließen sich ungescheut ihren wollüstigen Begierden. Eben so dachten und handelten die mehresten Jünglinge dieser Stadt, ehmals zum Theil meine Kameraden, und sie hatten gleiches Schicksal mit jenen Mädchen.

Jch kam an den Ort an, wo ich durch die Güte des Herrn von S** mein Studiren fortzusetzen im Stande war. Kleinstädtisch von Jugend auf erzogen, kam ich hier wie in eine neue Welt, wo mir alles fremd war. Jch war so glücklich in kurzer Zeit für mich sehr vorteilhafte Bekanntschaften zu machen, auch fanden sich einige Freunde im vorzüglichern Verstande zu mir, durch deren Umgang ich noch mehr für die Wissenschaften gewonnen wurde. Jch legte mich mit dem angestrengtesten Fleiß auf das Studium der Griechen und Römer, und vergaß nicht die klassischen Werke der Deutschen im Fache der schönen Wissenschaften zu lesen.


wohner arm und in aͤußerstes Elend versetzt hatte. Mehrere von den Maͤdchen, die ich als Knabe kannte, haben die Zeugen einer unerlaubten Lebensart zur Welt gebracht und leben zum Theil noch ohne Maͤnner, und kaͤmpfen mit Armuth und Verachtung. Sie waren nicht jene Ungluͤckliche, die in einem Augenblick sich vergessen, und die eine allzugroße Zaͤrtlichkeit zu einem Schritt verleitet, den sie nachher bereuen: Sie waren vielmehr Koketten, kannten nicht die sanfte, reine Liebe, die uns der Schoͤpfer so wohlthaͤtig eingepflanzt hat, und uͤberließen sich ungescheut ihren wolluͤstigen Begierden. Eben so dachten und handelten die mehresten Juͤnglinge dieser Stadt, ehmals zum Theil meine Kameraden, und sie hatten gleiches Schicksal mit jenen Maͤdchen.

Jch kam an den Ort an, wo ich durch die Guͤte des Herrn von S** mein Studiren fortzusetzen im Stande war. Kleinstaͤdtisch von Jugend auf erzogen, kam ich hier wie in eine neue Welt, wo mir alles fremd war. Jch war so gluͤcklich in kurzer Zeit fuͤr mich sehr vorteilhafte Bekanntschaften zu machen, auch fanden sich einige Freunde im vorzuͤglichern Verstande zu mir, durch deren Umgang ich noch mehr fuͤr die Wissenschaften gewonnen wurde. Jch legte mich mit dem angestrengtesten Fleiß auf das Studium der Griechen und Roͤmer, und vergaß nicht die klassischen Werke der Deutschen im Fache der schoͤnen Wissenschaften zu lesen.

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[40/0040] wohner arm und in aͤußerstes Elend versetzt hatte. Mehrere von den Maͤdchen, die ich als Knabe kannte, haben die Zeugen einer unerlaubten Lebensart zur Welt gebracht und leben zum Theil noch ohne Maͤnner, und kaͤmpfen mit Armuth und Verachtung. Sie waren nicht jene Ungluͤckliche, die in einem Augenblick sich vergessen, und die eine allzugroße Zaͤrtlichkeit zu einem Schritt verleitet, den sie nachher bereuen: Sie waren vielmehr Koketten, kannten nicht die sanfte, reine Liebe, die uns der Schoͤpfer so wohlthaͤtig eingepflanzt hat, und uͤberließen sich ungescheut ihren wolluͤstigen Begierden. Eben so dachten und handelten die mehresten Juͤnglinge dieser Stadt, ehmals zum Theil meine Kameraden, und sie hatten gleiches Schicksal mit jenen Maͤdchen. Jch kam an den Ort an, wo ich durch die Guͤte des Herrn von S** mein Studiren fortzusetzen im Stande war. Kleinstaͤdtisch von Jugend auf erzogen, kam ich hier wie in eine neue Welt, wo mir alles fremd war. Jch war so gluͤcklich in kurzer Zeit fuͤr mich sehr vorteilhafte Bekanntschaften zu machen, auch fanden sich einige Freunde im vorzuͤglichern Verstande zu mir, durch deren Umgang ich noch mehr fuͤr die Wissenschaften gewonnen wurde. Jch legte mich mit dem angestrengtesten Fleiß auf das Studium der Griechen und Roͤmer, und vergaß nicht die klassischen Werke der Deutschen im Fache der schoͤnen Wissenschaften zu lesen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/40>, abgerufen am 21.11.2024.