Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
(Die Fortsetzung folgt.)
(Die Fortsetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0042" n="42"/><lb/> klaͤrbare Angst befiel. Jtzt fiel mir jener Juͤngling im Garten wieder ein, und mit ihm der Gedanke, es sei vielleicht Naturbeduͤrfniß. Man hielt mich fuͤr einen stillen, sittsamen Juͤngling, und siehe! ich war doch ein Boͤsewicht, ohne es selbst zu glauben. Jch bekam gute, praktische Religionsschriften in die Haͤnde; meine Begriffe klaͤrten sich auf: ich lernte einsehen, daß Religion in <hi rendition="#b">Handeln</hi> und <hi rendition="#b">Thun</hi> bestehe, ich fing an zu handeln — aber dabei trieb ich noch immer ein Laster fort, das meine Natur zerruͤttete. Jn einer Gesellschaft hoͤrte ich von der Abscheulichkeit eines Lasters sprechen, das ich der That, nicht aber dem Namen nach, kannte: ich ahndete etwas, und erkundigte mich deswegen, erfuhr also zu meinem Schrecken, daß es eben das Laster war, das ich trieb, und dessen gefaͤhrliche Folgen ich bald darauf aus Schriften noch mehr kennen lernte. Jtzt wandte ich alle Kraͤfte an, dieses Laster gaͤnzlich zu meiden, und nach vielen vergeblichen Kaͤmpfen gluͤckte es mir. Nachdem ich an Geist und Koͤrper genesen war, empfand ich uͤber meinen Sieg die unaussprechlichste Freude, sahe aber noch immer mit Schaudern in den Abgrund zuruͤck, aus dem ich mich gerettet sahe. Angst, Schmerz und Qual sind die Freuden, womit dieß Laster seine Verehrer belohnt; ein verwundetes Gewissen, gestuͤmpfter Verstand, siecher Koͤrper oder gar baldiger Tod die Folgen davon. </p> <p>(Die Fortsetzung folgt.)</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0042]
klaͤrbare Angst befiel. Jtzt fiel mir jener Juͤngling im Garten wieder ein, und mit ihm der Gedanke, es sei vielleicht Naturbeduͤrfniß. Man hielt mich fuͤr einen stillen, sittsamen Juͤngling, und siehe! ich war doch ein Boͤsewicht, ohne es selbst zu glauben. Jch bekam gute, praktische Religionsschriften in die Haͤnde; meine Begriffe klaͤrten sich auf: ich lernte einsehen, daß Religion in Handeln und Thun bestehe, ich fing an zu handeln — aber dabei trieb ich noch immer ein Laster fort, das meine Natur zerruͤttete. Jn einer Gesellschaft hoͤrte ich von der Abscheulichkeit eines Lasters sprechen, das ich der That, nicht aber dem Namen nach, kannte: ich ahndete etwas, und erkundigte mich deswegen, erfuhr also zu meinem Schrecken, daß es eben das Laster war, das ich trieb, und dessen gefaͤhrliche Folgen ich bald darauf aus Schriften noch mehr kennen lernte. Jtzt wandte ich alle Kraͤfte an, dieses Laster gaͤnzlich zu meiden, und nach vielen vergeblichen Kaͤmpfen gluͤckte es mir. Nachdem ich an Geist und Koͤrper genesen war, empfand ich uͤber meinen Sieg die unaussprechlichste Freude, sahe aber noch immer mit Schaudern in den Abgrund zuruͤck, aus dem ich mich gerettet sahe. Angst, Schmerz und Qual sind die Freuden, womit dieß Laster seine Verehrer belohnt; ein verwundetes Gewissen, gestuͤmpfter Verstand, siecher Koͤrper oder gar baldiger Tod die Folgen davon.
(Die Fortsetzung folgt.)
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