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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.

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gen Leuten die Schule angenehm zu machen und ihnen die so natürliche Abneigung vor derselben zu benehmen. "Meine Kinder, sagte er oft, müssen es für keinen Sklavendienst halten, unterrichtet zu werden; sie müssen mit mir gleichsam nur Spaziergänge in den Wissenschaften zu machen glauben." So heiter und aufgeweckt er aber auch in allen seinen Lehrstunden war, so wenig verlohr er doch dabei sein Ansehn, welches nicht selten bei aufgeräumten Schullehrern der Fall ist. Schack wurde bisweilen durch die fröliche Laune seines Vaters gereizt, mitten in den Lehrstunden muthwillig, und ließ alsdann gern seine Lustigkeit über die gehörigen Gränzen hinausschweifen; aber ein einziger ernster Blick seines Vaters brachte ihn gleich wieder zu sich selbst zurück.

Durch ein immer aufgeräumtes, aber zugleich ernstes Wesen, war es dem guten Vater vornehmlich geglückt, seine Kinder von übeln Launen, und von dem, bei den meisten jungen Leuten gewöhnlichen Hange zum Eigensinn zu heilen, welches noch immer für ein schweres Problem in der Erziehungskunst gehalten wird. "Wenn wir Eltern und Lehrer, sagte er oft, mit unsern Kindern und Zöglingen immer auf eine gefällige Art umgehen, wenn wir unsere Launen -- mags doch auch bisweilen Mühe und Ueberwindung kosten -- zu ihrer jugendlichen Frölichkeit herabstimmen; wenn wir vornehmlich selbst nie ohne Noth Launen und Eigen


gen Leuten die Schule angenehm zu machen und ihnen die so natuͤrliche Abneigung vor derselben zu benehmen. »Meine Kinder, sagte er oft, muͤssen es fuͤr keinen Sklavendienst halten, unterrichtet zu werden; sie muͤssen mit mir gleichsam nur Spaziergaͤnge in den Wissenschaften zu machen glauben.« So heiter und aufgeweckt er aber auch in allen seinen Lehrstunden war, so wenig verlohr er doch dabei sein Ansehn, welches nicht selten bei aufgeraͤumten Schullehrern der Fall ist. Schack wurde bisweilen durch die froͤliche Laune seines Vaters gereizt, mitten in den Lehrstunden muthwillig, und ließ alsdann gern seine Lustigkeit uͤber die gehoͤrigen Graͤnzen hinausschweifen; aber ein einziger ernster Blick seines Vaters brachte ihn gleich wieder zu sich selbst zuruͤck.

Durch ein immer aufgeraͤumtes, aber zugleich ernstes Wesen, war es dem guten Vater vornehmlich gegluͤckt, seine Kinder von uͤbeln Launen, und von dem, bei den meisten jungen Leuten gewoͤhnlichen Hange zum Eigensinn zu heilen, welches noch immer fuͤr ein schweres Problem in der Erziehungskunst gehalten wird. »Wenn wir Eltern und Lehrer, sagte er oft, mit unsern Kindern und Zoͤglingen immer auf eine gefaͤllige Art umgehen, wenn wir unsere Launen — mags doch auch bisweilen Muͤhe und Ueberwindung kosten — zu ihrer jugendlichen Froͤlichkeit herabstimmen; wenn wir vornehmlich selbst nie ohne Noth Launen und Eigen

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[51/0051] gen Leuten die Schule angenehm zu machen und ihnen die so natuͤrliche Abneigung vor derselben zu benehmen. »Meine Kinder, sagte er oft, muͤssen es fuͤr keinen Sklavendienst halten, unterrichtet zu werden; sie muͤssen mit mir gleichsam nur Spaziergaͤnge in den Wissenschaften zu machen glauben.« So heiter und aufgeweckt er aber auch in allen seinen Lehrstunden war, so wenig verlohr er doch dabei sein Ansehn, welches nicht selten bei aufgeraͤumten Schullehrern der Fall ist. Schack wurde bisweilen durch die froͤliche Laune seines Vaters gereizt, mitten in den Lehrstunden muthwillig, und ließ alsdann gern seine Lustigkeit uͤber die gehoͤrigen Graͤnzen hinausschweifen; aber ein einziger ernster Blick seines Vaters brachte ihn gleich wieder zu sich selbst zuruͤck. Durch ein immer aufgeraͤumtes, aber zugleich ernstes Wesen, war es dem guten Vater vornehmlich gegluͤckt, seine Kinder von uͤbeln Launen, und von dem, bei den meisten jungen Leuten gewoͤhnlichen Hange zum Eigensinn zu heilen, welches noch immer fuͤr ein schweres Problem in der Erziehungskunst gehalten wird. »Wenn wir Eltern und Lehrer, sagte er oft, mit unsern Kindern und Zoͤglingen immer auf eine gefaͤllige Art umgehen, wenn wir unsere Launen — mags doch auch bisweilen Muͤhe und Ueberwindung kosten — zu ihrer jugendlichen Froͤlichkeit herabstimmen; wenn wir vornehmlich selbst nie ohne Noth Launen und Eigen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/51>, abgerufen am 21.11.2024.