Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0066" n="66"/><lb/> weite Aue hatte. Vor ihr schlaͤngelte sich die Saale in majestaͤtischen Kruͤmmungen zwischen lachenden Ufern hin, und verlor sich endlich zur Linken hinter dicken Eichenwaͤldern. Zur Rechten lag eine reitzende waldigte Jnsel, an deren einer Seite sich die Saale uͤber einen Muͤhldamm rauschend hinwegstuͤrzte, und von weiten das angenehmste Gemurmel verursachte. Ohngefaͤhr hundert Schritt vor der Schulstube stand die neue Dorfkirche mit ihrem alten Thurme auf einer Anhoͤhe, und hinter ihr eroͤfnete sich ein paradiesisches Thal, welches von einer Menge saͤchsischer Doͤrfer, und weiter hin von einem großen Tannenwalde umkraͤnzt wurde. Jn dieser Stube war es, wo der alte wuͤrdige Vater, dem die Natur das feinste Gefuͤhl fuͤr die Schoͤnheit ihrer Werke mitgetheilt hatte, seinen Kindern die großen Wahrheiten der Religion und Tugend einfloͤßte, und wo sein Unterricht im Angesicht der schoͤnen Natur taͤglich neue Reitze gewann. Schacks Seele ergreift jedesmahl eine unbeschreiblich suͤsse Wehmuth der Freude, wenn er sich auf jenes Plaͤtzchen zuruͤckdenkt, das sein Vater zum Unterrichte fuͤr ihn gewaͤhlt hatte. Er glaubt den reinen Aether noch einzuathmen, den er durch die offenen Fenster der Schulstube erhielt; noch hoͤrt er das ferne Geschrei der weidenden Heerden auf den seinem Schulzimmer gegenuͤberliegenden Wiesen, und das froͤhliche Gekreisch der Baͤuerinnen, welche jenseit der Saale die hohen Heu-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0066]
weite Aue hatte. Vor ihr schlaͤngelte sich die Saale in majestaͤtischen Kruͤmmungen zwischen lachenden Ufern hin, und verlor sich endlich zur Linken hinter dicken Eichenwaͤldern. Zur Rechten lag eine reitzende waldigte Jnsel, an deren einer Seite sich die Saale uͤber einen Muͤhldamm rauschend hinwegstuͤrzte, und von weiten das angenehmste Gemurmel verursachte. Ohngefaͤhr hundert Schritt vor der Schulstube stand die neue Dorfkirche mit ihrem alten Thurme auf einer Anhoͤhe, und hinter ihr eroͤfnete sich ein paradiesisches Thal, welches von einer Menge saͤchsischer Doͤrfer, und weiter hin von einem großen Tannenwalde umkraͤnzt wurde. Jn dieser Stube war es, wo der alte wuͤrdige Vater, dem die Natur das feinste Gefuͤhl fuͤr die Schoͤnheit ihrer Werke mitgetheilt hatte, seinen Kindern die großen Wahrheiten der Religion und Tugend einfloͤßte, und wo sein Unterricht im Angesicht der schoͤnen Natur taͤglich neue Reitze gewann. Schacks Seele ergreift jedesmahl eine unbeschreiblich suͤsse Wehmuth der Freude, wenn er sich auf jenes Plaͤtzchen zuruͤckdenkt, das sein Vater zum Unterrichte fuͤr ihn gewaͤhlt hatte. Er glaubt den reinen Aether noch einzuathmen, den er durch die offenen Fenster der Schulstube erhielt; noch hoͤrt er das ferne Geschrei der weidenden Heerden auf den seinem Schulzimmer gegenuͤberliegenden Wiesen, und das froͤhliche Gekreisch der Baͤuerinnen, welche jenseit der Saale die hohen Heu-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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