Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Und doch sollte man glauben, es müßte uns leichter seyn, die ersten Grundfäden von den wunderbaren Gewebe unsrer Gedanken aufzufinden, als das Geheimnißvolle in den Wachsthum des Thiers und der Pflanze auszuspähen; weil die Jdeen doch dasjenige sind, was uns einmal, in der ganzen Welt, am allernächsten liegt, und was wir am meisten zu unsrer eignen Disposition haben. -- Um uns aber hier einen Weg zu bahnen, müssen wir erst mit der Sprache weiter vorwärts dringen, und daher ist das Studium der Sprache in psychologischer Rücksicht wohl kein unnützes Studium. Jndes gehört auch das vorzüglich hierher, was
Und doch sollte man glauben, es muͤßte uns leichter seyn, die ersten Grundfaͤden von den wunderbaren Gewebe unsrer Gedanken aufzufinden, als das Geheimnißvolle in den Wachsthum des Thiers und der Pflanze auszuspaͤhen; weil die Jdeen doch dasjenige sind, was uns einmal, in der ganzen Welt, am allernaͤchsten liegt, und was wir am meisten zu unsrer eignen Disposition haben. — Um uns aber hier einen Weg zu bahnen, muͤssen wir erst mit der Sprache weiter vorwaͤrts dringen, und daher ist das Studium der Sprache in psychologischer Ruͤcksicht wohl kein unnuͤtzes Studium. Jndes gehoͤrt auch das vorzuͤglich hierher, was <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0008" n="8"/><lb/> wo ist der <hi rendition="#b">erste,</hi> und <hi rendition="#b">allererste Grundstoff</hi> zur Anlage, oder vielmehr, wo und wann wird er eigentlich zur Anlage? Fragen, die wir vielleicht gar nicht thun sollten, weil es uns unzufrieden macht, daß wir sie uns nie sollen beantworten koͤnnen.</p> <p>Und doch sollte man glauben, es muͤßte uns leichter seyn, die ersten Grundfaͤden von den wunderbaren Gewebe unsrer Gedanken aufzufinden, als das Geheimnißvolle in den Wachsthum des Thiers und der Pflanze auszuspaͤhen; weil die Jdeen doch dasjenige sind, was uns einmal, in der ganzen Welt, am <hi rendition="#b">allernaͤchsten</hi> liegt, und was wir am meisten zu unsrer eignen Disposition haben. — Um uns aber hier einen Weg zu bahnen, muͤssen wir erst mit der Sprache weiter vorwaͤrts dringen, und daher ist das Studium <hi rendition="#b">der Sprache in psychologischer Ruͤcksicht</hi> wohl kein unnuͤtzes Studium.</p> <p>Jndes gehoͤrt auch das vorzuͤglich hierher, was <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0002"><note type="editorial">Pockels, Carl Friedrich</note>Herr Pockels</persName></hi> im zweiten Stuͤck des zweiten Bandes S. 18 <hi rendition="#b">uͤber den Mangel unsrer Jugenderinnerungen</hi> sagt: »Es scheint, sagt er, als wenn uns die Natur recht mit Fleiß den ersten unvollkommnen Zustand unsrer Existenz habe verbergen wollen, indem sie uns unfaͤhig machte, uns der ersten Erfahrungen unsres Lebens zu erinnern; so lehrreich es auch in der That fuͤr den menschlichen Verstand seyn wuͤrde, wenn er die Reihe unsrer nach und nach erlangten sinnlichen Begriffe, oder<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0008]
wo ist der erste, und allererste Grundstoff zur Anlage, oder vielmehr, wo und wann wird er eigentlich zur Anlage? Fragen, die wir vielleicht gar nicht thun sollten, weil es uns unzufrieden macht, daß wir sie uns nie sollen beantworten koͤnnen.
Und doch sollte man glauben, es muͤßte uns leichter seyn, die ersten Grundfaͤden von den wunderbaren Gewebe unsrer Gedanken aufzufinden, als das Geheimnißvolle in den Wachsthum des Thiers und der Pflanze auszuspaͤhen; weil die Jdeen doch dasjenige sind, was uns einmal, in der ganzen Welt, am allernaͤchsten liegt, und was wir am meisten zu unsrer eignen Disposition haben. — Um uns aber hier einen Weg zu bahnen, muͤssen wir erst mit der Sprache weiter vorwaͤrts dringen, und daher ist das Studium der Sprache in psychologischer Ruͤcksicht wohl kein unnuͤtzes Studium.
Jndes gehoͤrt auch das vorzuͤglich hierher, was Herr Pockels im zweiten Stuͤck des zweiten Bandes S. 18 uͤber den Mangel unsrer Jugenderinnerungen sagt: »Es scheint, sagt er, als wenn uns die Natur recht mit Fleiß den ersten unvollkommnen Zustand unsrer Existenz habe verbergen wollen, indem sie uns unfaͤhig machte, uns der ersten Erfahrungen unsres Lebens zu erinnern; so lehrreich es auch in der That fuͤr den menschlichen Verstand seyn wuͤrde, wenn er die Reihe unsrer nach und nach erlangten sinnlichen Begriffe, oder
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/8>, abgerufen am 16.07.2024. |