Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Ein Liebhaber ist auch im Traume gegen seine Göttin erstaunlich artig und gehorsam. Seckendorff ging sogleich aus dem Zimmer, als er aber einige Minuten nachher wieder hereintrat, lag sie weit schöner und einer Verklärten gleich, auf dem Bette. An ihren Füßen that sich jetzt ein Vorhang auf, hinter welchem Seckendorff einen unbeschreiblichen Glanz hervorstrahlen und sich eine Menge schöner und verklärter Geschöpfe bewegen sah, welche ihm alle sehr vergnügt zu seyn schienen. Sein Auge wurde von dem Zauber ihrer Schönheit ganz verblendet. Eine von diesen verklärten Schönen faßte endlich seine Geliebte bey der Hand, zog sie mit sich fort, der Vorhang fiel nieder, - und er erwachte. Bald nachher schlief Herr von
Ein Liebhaber ist auch im Traume gegen seine Goͤttin erstaunlich artig und gehorsam. Seckendorff ging sogleich aus dem Zimmer, als er aber einige Minuten nachher wieder hereintrat, lag sie weit schoͤner und einer Verklaͤrten gleich, auf dem Bette. An ihren Fuͤßen that sich jetzt ein Vorhang auf, hinter welchem Seckendorff einen unbeschreiblichen Glanz hervorstrahlen und sich eine Menge schoͤner und verklaͤrter Geschoͤpfe bewegen sah, welche ihm alle sehr vergnuͤgt zu seyn schienen. Sein Auge wurde von dem Zauber ihrer Schoͤnheit ganz verblendet. Eine von diesen verklaͤrten Schoͤnen faßte endlich seine Geliebte bey der Hand, zog sie mit sich fort, der Vorhang fiel nieder, – und er erwachte. Bald nachher schlief Herr von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0059" n="57"/><lb/> ihm freundlich zu, und er naͤherte sich ihr. »Wir muͤssen uns trennen, sagte sie; aber nicht lange, lieber Seckendorff, – denn ohne Sie kann ich nicht lange seyn! jetzt aber muͤssen Sie mich auf einige Augenblicke verlassen!«</p> <p>Ein Liebhaber ist auch im Traume gegen seine Goͤttin erstaunlich artig und gehorsam. Seckendorff ging sogleich aus dem Zimmer, als er aber einige Minuten nachher wieder hereintrat, lag sie weit schoͤner und einer Verklaͤrten gleich, auf dem Bette. An ihren Fuͤßen that sich jetzt ein Vorhang auf, hinter welchem Seckendorff einen unbeschreiblichen Glanz hervorstrahlen und sich eine Menge schoͤner und verklaͤrter Geschoͤpfe bewegen sah, welche ihm alle sehr vergnuͤgt zu seyn schienen. Sein Auge wurde von dem Zauber ihrer Schoͤnheit ganz verblendet. Eine von diesen verklaͤrten Schoͤnen faßte endlich seine Geliebte bey der Hand, zog sie mit sich fort, der Vorhang fiel nieder, – und er erwachte.</p> <p>Bald nachher schlief Herr von <persName ref="#ref0123"><note type="editorial">Seckendorf, Siegmund Freiherr von</note>Seckendorff</persName> wieder ein. Der nehmliche Mensch, welcher ihm den Zauberspiegel gegeben hatte, erschien ihm noch einmahl, und fragte ihn: ob er mit dem, was er ihm gezeigt habe, zufrieden sei, und ob er auch noch einmahl die Menschen, welche er in seinem Leben gekannt, zu sehen wuͤnschte? <persName ref="#ref0123"><note type="editorial">Seckendorf, Siegmund Freiherr von</note>Seckendorff</persName> erwiederte, daß ihm dieß Vergnuͤgen verursachen wuͤrde, und erhielt nun aufs neue einen Spiegel, indem er wuͤrk-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0059]
ihm freundlich zu, und er naͤherte sich ihr. »Wir muͤssen uns trennen, sagte sie; aber nicht lange, lieber Seckendorff, – denn ohne Sie kann ich nicht lange seyn! jetzt aber muͤssen Sie mich auf einige Augenblicke verlassen!«
Ein Liebhaber ist auch im Traume gegen seine Goͤttin erstaunlich artig und gehorsam. Seckendorff ging sogleich aus dem Zimmer, als er aber einige Minuten nachher wieder hereintrat, lag sie weit schoͤner und einer Verklaͤrten gleich, auf dem Bette. An ihren Fuͤßen that sich jetzt ein Vorhang auf, hinter welchem Seckendorff einen unbeschreiblichen Glanz hervorstrahlen und sich eine Menge schoͤner und verklaͤrter Geschoͤpfe bewegen sah, welche ihm alle sehr vergnuͤgt zu seyn schienen. Sein Auge wurde von dem Zauber ihrer Schoͤnheit ganz verblendet. Eine von diesen verklaͤrten Schoͤnen faßte endlich seine Geliebte bey der Hand, zog sie mit sich fort, der Vorhang fiel nieder, – und er erwachte.
Bald nachher schlief Herr von Seckendorff wieder ein. Der nehmliche Mensch, welcher ihm den Zauberspiegel gegeben hatte, erschien ihm noch einmahl, und fragte ihn: ob er mit dem, was er ihm gezeigt habe, zufrieden sei, und ob er auch noch einmahl die Menschen, welche er in seinem Leben gekannt, zu sehen wuͤnschte? Seckendorff erwiederte, daß ihm dieß Vergnuͤgen verursachen wuͤrde, und erhielt nun aufs neue einen Spiegel, indem er wuͤrk-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/59>, abgerufen am 16.02.2025. |