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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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ner frühesten Jugend hatten schon die Beschreibungen meiner Mutter von den prächtigen, sonnenhellen Kleidern der Seeligen, von ihren Hallelujagesängen, ihren goldenen Kronen und Harfen für mich einen unbeschreiblichen Reitz, und ich beneidete sie oft, wenn sie mir ihre öftern Träume von der Herrlichkeit des Heilandes auf einem Regenbogen, vom jüngsten Gericht u.s.w. erzählte, und ich wünschte nichts mehr, als einmahl einen solchen Traum zu haben.

Als ich älter geworden war, verschwanden zwar nach und nach diese schönen Bilder; aber die Lehre von der Seelenwanderung trat in ihre Stelle, worauf ich zuerst durch eine Erzählung von den Verwandlungen der Menschen in ihnen gleichartige Thiere gebracht wurde. Es war mir immer sonderbar vorgekommen, daß die menschliche Seele nach ihrem Abschiede von dem Körper so grade zu in den Himmelsraum hineinflattern, oder, welches mir noch schwieriger schien, in Abrahams Schoos getragen werden sollte, und ich war daher höchst erfreut, da ich in der Lehre von der Seelenwanderung doch wieder einen Körper vor mir hatte, wo sie hineingesteckt werden konnte. Jch erinnere mich, daß ich hierüber nach und nach in eine Menge der albernsten Hypothesen einer menschlichen Glückseligkeit in den Leibern der Thiere verfiel, und mir war es nicht unwahrscheinlich, daß wir auch in dieser Situation unsres Daseyns eine Menge der richtigsten Erfah-


ner fruͤhesten Jugend hatten schon die Beschreibungen meiner Mutter von den praͤchtigen, sonnenhellen Kleidern der Seeligen, von ihren Hallelujagesaͤngen, ihren goldenen Kronen und Harfen fuͤr mich einen unbeschreiblichen Reitz, und ich beneidete sie oft, wenn sie mir ihre oͤftern Traͤume von der Herrlichkeit des Heilandes auf einem Regenbogen, vom juͤngsten Gericht u.s.w. erzaͤhlte, und ich wuͤnschte nichts mehr, als einmahl einen solchen Traum zu haben.

Als ich aͤlter geworden war, verschwanden zwar nach und nach diese schoͤnen Bilder; aber die Lehre von der Seelenwanderung trat in ihre Stelle, worauf ich zuerst durch eine Erzaͤhlung von den Verwandlungen der Menschen in ihnen gleichartige Thiere gebracht wurde. Es war mir immer sonderbar vorgekommen, daß die menschliche Seele nach ihrem Abschiede von dem Koͤrper so grade zu in den Himmelsraum hineinflattern, oder, welches mir noch schwieriger schien, in Abrahams Schoos getragen werden sollte, und ich war daher hoͤchst erfreut, da ich in der Lehre von der Seelenwanderung doch wieder einen Koͤrper vor mir hatte, wo sie hineingesteckt werden konnte. Jch erinnere mich, daß ich hieruͤber nach und nach in eine Menge der albernsten Hypothesen einer menschlichen Gluͤckseligkeit in den Leibern der Thiere verfiel, und mir war es nicht unwahrscheinlich, daß wir auch in dieser Situation unsres Daseyns eine Menge der richtigsten Erfah-

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[90/0092] ner fruͤhesten Jugend hatten schon die Beschreibungen meiner Mutter von den praͤchtigen, sonnenhellen Kleidern der Seeligen, von ihren Hallelujagesaͤngen, ihren goldenen Kronen und Harfen fuͤr mich einen unbeschreiblichen Reitz, und ich beneidete sie oft, wenn sie mir ihre oͤftern Traͤume von der Herrlichkeit des Heilandes auf einem Regenbogen, vom juͤngsten Gericht u.s.w. erzaͤhlte, und ich wuͤnschte nichts mehr, als einmahl einen solchen Traum zu haben. Als ich aͤlter geworden war, verschwanden zwar nach und nach diese schoͤnen Bilder; aber die Lehre von der Seelenwanderung trat in ihre Stelle, worauf ich zuerst durch eine Erzaͤhlung von den Verwandlungen der Menschen in ihnen gleichartige Thiere gebracht wurde. Es war mir immer sonderbar vorgekommen, daß die menschliche Seele nach ihrem Abschiede von dem Koͤrper so grade zu in den Himmelsraum hineinflattern, oder, welches mir noch schwieriger schien, in Abrahams Schoos getragen werden sollte, und ich war daher hoͤchst erfreut, da ich in der Lehre von der Seelenwanderung doch wieder einen Koͤrper vor mir hatte, wo sie hineingesteckt werden konnte. Jch erinnere mich, daß ich hieruͤber nach und nach in eine Menge der albernsten Hypothesen einer menschlichen Gluͤckseligkeit in den Leibern der Thiere verfiel, und mir war es nicht unwahrscheinlich, daß wir auch in dieser Situation unsres Daseyns eine Menge der richtigsten Erfah-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/92>, abgerufen am 24.11.2024.