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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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als das schönste und erhabenste Muster der weiblichen Tugend stehen wird, die ich nie zu lieben aufhören werde, ob wir gleich weit von einander getrennt sind, und vielleicht nie in diesem Leben einander wiedersehen dürften, war es, die mich vornehmlich auf eine künftige Wiedervereinigung mit meinen Freunden aufmerksam machte.

Die Unterhaltungen mit diesem himmlischen Weibe über Tod und Ewigkeit rechne ich zu den glücklichsten Augenblicken meines Lebens, - und ihr, ihr habe ich einen sehr großen Theil meiner moralischen Bildung zu danken. Meine Gemüthslage, mein Character war verstimmt, als ich die Akademie verließ, ich schied von ihr mit einer Menge reuiger Empfindungen, daß ich so viele Stunden meines akademischen Lebens müßig zugebracht, und viel viel Zeit mit den armseligen Tändeleien der Liebe verschwendet hatte. Mein erster Gedanke, als ich auf den Postwagen stieg, war ein ernster und gesetzter Mann zu werden. Wie ein Traum lag die ganze Folge meines Studentenlebens jetzt vor meinen Augen; ich kam mir als ein sehr verächtlicher Mensch vor; ich zweifelte, ob ich meinem neuen Amte gewachsen seyn würde; ich bedurfte sehr viele Ermunterungen, um nicht zu verzweifeln, - und ich fand sie in dem Umgange mit jenem edeln Weibe. Tausend weibliche Gestalten hatten schon sonst in mir zärtliche Gefühle hervorgebracht; aber noch nie hatte ich das Herzliche, Jnnige, Erhebende und


als das schoͤnste und erhabenste Muster der weiblichen Tugend stehen wird, die ich nie zu lieben aufhoͤren werde, ob wir gleich weit von einander getrennt sind, und vielleicht nie in diesem Leben einander wiedersehen duͤrften, war es, die mich vornehmlich auf eine kuͤnftige Wiedervereinigung mit meinen Freunden aufmerksam machte.

Die Unterhaltungen mit diesem himmlischen Weibe uͤber Tod und Ewigkeit rechne ich zu den gluͤcklichsten Augenblicken meines Lebens, – und ihr, ihr habe ich einen sehr großen Theil meiner moralischen Bildung zu danken. Meine Gemuͤthslage, mein Character war verstimmt, als ich die Akademie verließ, ich schied von ihr mit einer Menge reuiger Empfindungen, daß ich so viele Stunden meines akademischen Lebens muͤßig zugebracht, und viel viel Zeit mit den armseligen Taͤndeleien der Liebe verschwendet hatte. Mein erster Gedanke, als ich auf den Postwagen stieg, war ein ernster und gesetzter Mann zu werden. Wie ein Traum lag die ganze Folge meines Studentenlebens jetzt vor meinen Augen; ich kam mir als ein sehr veraͤchtlicher Mensch vor; ich zweifelte, ob ich meinem neuen Amte gewachsen seyn wuͤrde; ich bedurfte sehr viele Ermunterungen, um nicht zu verzweifeln, – und ich fand sie in dem Umgange mit jenem edeln Weibe. Tausend weibliche Gestalten hatten schon sonst in mir zaͤrtliche Gefuͤhle hervorgebracht; aber noch nie hatte ich das Herzliche, Jnnige, Erhebende und

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[93/0095] als das schoͤnste und erhabenste Muster der weiblichen Tugend stehen wird, die ich nie zu lieben aufhoͤren werde, ob wir gleich weit von einander getrennt sind, und vielleicht nie in diesem Leben einander wiedersehen duͤrften, war es, die mich vornehmlich auf eine kuͤnftige Wiedervereinigung mit meinen Freunden aufmerksam machte. Die Unterhaltungen mit diesem himmlischen Weibe uͤber Tod und Ewigkeit rechne ich zu den gluͤcklichsten Augenblicken meines Lebens, – und ihr, ihr habe ich einen sehr großen Theil meiner moralischen Bildung zu danken. Meine Gemuͤthslage, mein Character war verstimmt, als ich die Akademie verließ, ich schied von ihr mit einer Menge reuiger Empfindungen, daß ich so viele Stunden meines akademischen Lebens muͤßig zugebracht, und viel viel Zeit mit den armseligen Taͤndeleien der Liebe verschwendet hatte. Mein erster Gedanke, als ich auf den Postwagen stieg, war ein ernster und gesetzter Mann zu werden. Wie ein Traum lag die ganze Folge meines Studentenlebens jetzt vor meinen Augen; ich kam mir als ein sehr veraͤchtlicher Mensch vor; ich zweifelte, ob ich meinem neuen Amte gewachsen seyn wuͤrde; ich bedurfte sehr viele Ermunterungen, um nicht zu verzweifeln, – und ich fand sie in dem Umgange mit jenem edeln Weibe. Tausend weibliche Gestalten hatten schon sonst in mir zaͤrtliche Gefuͤhle hervorgebracht; aber noch nie hatte ich das Herzliche, Jnnige, Erhebende und

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/95>, abgerufen am 21.11.2024.