Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


predigen; predigst du nicht, so kommst du nicht von deiner Krankheit auf; predigst du aber, so sey von deiner gewissen Genesung versichert!
etc. Er predigt auch würklich, so schwach er übrigens ist, eine ganze halbe Stunde, und den nehmlichen Nachmittag sieht er Flecken auf seinen Händen,-- fällt in ein vier Wochen langes Delirium, und wird endlich -- wieder gesund. Jch glaube, daß der Herr Verfasser es auch geworden seyn würde, wenn er obigen Gedanken nicht so fest in seine Seele gefaßt hätte, welcher wahrscheinlich halb durch den Verdruß, daß sein College ihm die Predigt abschlug, und daß er durchaus nicht die Kirchenparade abgestellt haben wollte, und halb durch die schon kränkelnde Phantasie, und wer weiß, durch welche andere innere Gründe des Gemüths seine Lebhaftigkeit erhielt. Es läßt sich auch annehmen, daß manchmahl kranke Leute durch eine lebhafte Vorstellung ihrer Genesung gesund werden können, wie oft Gesunde aus Einbildung krank werden.

Seite 106 in eben diesem Stücke kommt sogar eine Vision vor, die, wenn sie auch aus des vortrefflichen Pfeffels eigenen Munde kommt, doch höchst unglaublich ist.

Der blinde Pfeffel und sein Bruder gehen mit einem Freunde auf einem mit Bäumen besetzten Platze öfters spaziren. Sie bemerken, daß der Geistliche (ihr Freund) immer nur bis auf einen


predigen; predigst du nicht, so kommst du nicht von deiner Krankheit auf; predigst du aber, so sey von deiner gewissen Genesung versichert!
etc. Er predigt auch wuͤrklich, so schwach er uͤbrigens ist, eine ganze halbe Stunde, und den nehmlichen Nachmittag sieht er Flecken auf seinen Haͤnden,— faͤllt in ein vier Wochen langes Delirium, und wird endlich — wieder gesund. Jch glaube, daß der Herr Verfasser es auch geworden seyn wuͤrde, wenn er obigen Gedanken nicht so fest in seine Seele gefaßt haͤtte, welcher wahrscheinlich halb durch den Verdruß, daß sein College ihm die Predigt abschlug, und daß er durchaus nicht die Kirchenparade abgestellt haben wollte, und halb durch die schon kraͤnkelnde Phantasie, und wer weiß, durch welche andere innere Gruͤnde des Gemuͤths seine Lebhaftigkeit erhielt. Es laͤßt sich auch annehmen, daß manchmahl kranke Leute durch eine lebhafte Vorstellung ihrer Genesung gesund werden koͤnnen, wie oft Gesunde aus Einbildung krank werden.

Seite 106 in eben diesem Stuͤcke kommt sogar eine Vision vor, die, wenn sie auch aus des vortrefflichen Pfeffels eigenen Munde kommt, doch hoͤchst unglaublich ist.

Der blinde Pfeffel und sein Bruder gehen mit einem Freunde auf einem mit Baͤumen besetzten Platze oͤfters spaziren. Sie bemerken, daß der Geistliche (ihr Freund) immer nur bis auf einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0015" n="15"/><lb/>
predigen; predigst du nicht, so kommst du                      nicht von deiner Krankheit auf; predigst du aber, so sey von deiner gewissen                      Genesung versichert!</hi> etc. Er predigt auch wu&#x0364;rklich, so schwach er                   u&#x0364;brigens ist, eine ganze halbe Stunde, und den nehmlichen Nachmittag sieht er                   Flecken auf seinen Ha&#x0364;nden,&#x2014; fa&#x0364;llt in ein vier Wochen langes Delirium, und wird                   endlich &#x2014; wieder gesund. Jch glaube, daß der Herr Verfasser es auch geworden seyn                   wu&#x0364;rde, wenn er obigen Gedanken nicht so fest in seine Seele gefaßt ha&#x0364;tte, welcher                   wahrscheinlich halb durch den Verdruß, daß sein College ihm die Predigt abschlug,                   und daß er durchaus nicht die Kirchenparade abgestellt haben wollte, und halb                   durch die schon kra&#x0364;nkelnde Phantasie, und wer weiß, durch welche andere innere                   Gru&#x0364;nde des Gemu&#x0364;ths seine Lebhaftigkeit erhielt. Es la&#x0364;ßt sich auch annehmen, daß                   manchmahl kranke Leute durch eine lebhafte Vorstellung ihrer Genesung gesund                   werden ko&#x0364;nnen, wie oft <hi rendition="#b">Gesunde aus Einbildung</hi> krank                   werden.</p>
          <p>Seite 106 in eben diesem Stu&#x0364;cke kommt sogar eine <hi rendition="#b">Vision</hi> vor, die, wenn sie auch aus des vortrefflichen Pfeffels eigenen Munde kommt, doch                   ho&#x0364;chst <hi rendition="#b">unglaublich</hi> ist.</p>
          <p>Der blinde Pfeffel und sein Bruder gehen mit einem Freunde auf einem mit Ba&#x0364;umen                   besetzten Platze o&#x0364;fters spaziren. Sie bemerken, daß der Geistliche (ihr Freund)                   immer nur bis auf einen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0015] predigen; predigst du nicht, so kommst du nicht von deiner Krankheit auf; predigst du aber, so sey von deiner gewissen Genesung versichert! etc. Er predigt auch wuͤrklich, so schwach er uͤbrigens ist, eine ganze halbe Stunde, und den nehmlichen Nachmittag sieht er Flecken auf seinen Haͤnden,— faͤllt in ein vier Wochen langes Delirium, und wird endlich — wieder gesund. Jch glaube, daß der Herr Verfasser es auch geworden seyn wuͤrde, wenn er obigen Gedanken nicht so fest in seine Seele gefaßt haͤtte, welcher wahrscheinlich halb durch den Verdruß, daß sein College ihm die Predigt abschlug, und daß er durchaus nicht die Kirchenparade abgestellt haben wollte, und halb durch die schon kraͤnkelnde Phantasie, und wer weiß, durch welche andere innere Gruͤnde des Gemuͤths seine Lebhaftigkeit erhielt. Es laͤßt sich auch annehmen, daß manchmahl kranke Leute durch eine lebhafte Vorstellung ihrer Genesung gesund werden koͤnnen, wie oft Gesunde aus Einbildung krank werden. Seite 106 in eben diesem Stuͤcke kommt sogar eine Vision vor, die, wenn sie auch aus des vortrefflichen Pfeffels eigenen Munde kommt, doch hoͤchst unglaublich ist. Der blinde Pfeffel und sein Bruder gehen mit einem Freunde auf einem mit Baͤumen besetzten Platze oͤfters spaziren. Sie bemerken, daß der Geistliche (ihr Freund) immer nur bis auf einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/15
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/15>, abgerufen am 21.11.2024.