Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
"Zwar hat es mir in meinem Leben bei aller der Furcht, die ich mir hie und da beigelegt und zugeschrieben, nicht an Herz und Muth gefehlt, so oft und so lange ich nur mit der Krankheit des Milzes und der Melancholie verschont geblieben. So lange mich nur diese Uebel nicht plagten; so erschrack ich vor keinem Menschen und vor keinem Feinde, ja ich konnte sogar wider denselben allen meinen nöthigen Zorn und Eifer auslassen, ohne mein Gemüth sonderlich in Unruh zu setzen. Jch will nicht sagen, daß ich auch viele und große Sorge über mich nehmen und weit aussehende Projecte machen konnte, ohne daß mir solches eine Pein oder Mühe verursacht hätte. Jch war auch den Winter durch frisch, gesund, stark, muthig und beherzt gewesen, und erschrack keinesweges vor allen den Verdrüßlichkeiten, die ich mir von meinem Buche vorherprophezeite. Allein, da es nach Ostern kam und die Frühlingshitze anging, so merkte ich, daß ich schon wiederum weder des Morgens noch gegen Abend in Büchern lesen konnte, welche eine große Aufmerksamkeit auf die Sache erfoderten. Die Lebensgeister liefen so schnelle, daß ich das Buch in kurzem mußte wieder hinlegen. Um ein Leichtes flohe ich in meiner Einbildung und in Gedanken zum Fenster hinunter bei
»Zwar hat es mir in meinem Leben bei aller der Furcht, die ich mir hie und da beigelegt und zugeschrieben, nicht an Herz und Muth gefehlt, so oft und so lange ich nur mit der Krankheit des Milzes und der Melancholie verschont geblieben. So lange mich nur diese Uebel nicht plagten; so erschrack ich vor keinem Menschen und vor keinem Feinde, ja ich konnte sogar wider denselben allen meinen noͤthigen Zorn und Eifer auslassen, ohne mein Gemuͤth sonderlich in Unruh zu setzen. Jch will nicht sagen, daß ich auch viele und große Sorge uͤber mich nehmen und weit aussehende Projecte machen konnte, ohne daß mir solches eine Pein oder Muͤhe verursacht haͤtte. Jch war auch den Winter durch frisch, gesund, stark, muthig und beherzt gewesen, und erschrack keinesweges vor allen den Verdruͤßlichkeiten, die ich mir von meinem Buche vorherprophezeite. Allein, da es nach Ostern kam und die Fruͤhlingshitze anging, so merkte ich, daß ich schon wiederum weder des Morgens noch gegen Abend in Buͤchern lesen konnte, welche eine große Aufmerksamkeit auf die Sache erfoderten. Die Lebensgeister liefen so schnelle, daß ich das Buch in kurzem mußte wieder hinlegen. Um ein Leichtes flohe ich in meiner Einbildung und in Gedanken zum Fenster hinunter bei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0032" n="32"/><lb/> der <choice><corr>Leute,</corr><sic>Beute,</sic></choice> und unsaͤglichen Kampf und Streit im Gemuͤthe, der vom 13ten Jul. an bis beinahe ans Ende des Jahrs gewaͤhrt, nicht meines Verstandes beraubt worden.« — —</p> <p>»Zwar hat es mir in meinem Leben bei aller der Furcht, die ich mir hie und da beigelegt und zugeschrieben, nicht an Herz und Muth gefehlt, so oft und so lange ich nur mit der Krankheit des <choice><corr>Milzes</corr><sic>Witzes</sic></choice> und der Melancholie verschont geblieben. So lange mich nur diese Uebel nicht plagten; so erschrack ich vor keinem Menschen und vor keinem Feinde, ja ich konnte sogar wider denselben allen meinen noͤthigen Zorn und Eifer auslassen, ohne mein Gemuͤth sonderlich in Unruh zu setzen. Jch will nicht sagen, daß ich auch viele und große Sorge uͤber mich nehmen und weit aussehende Projecte machen konnte, ohne daß mir solches eine Pein oder Muͤhe verursacht haͤtte. Jch war auch den Winter durch frisch, gesund, stark, muthig und beherzt gewesen, und erschrack keinesweges vor allen den Verdruͤßlichkeiten, die ich mir von meinem Buche vorherprophezeite. Allein, da es nach Ostern kam und die Fruͤhlingshitze anging, so merkte ich, daß ich schon wiederum weder des Morgens noch gegen Abend in Buͤchern lesen konnte, welche eine große Aufmerksamkeit auf die Sache erfoderten. Die Lebensgeister liefen so schnelle, daß ich das Buch in kurzem mußte wieder hinlegen. Um ein Leichtes flohe ich in meiner Einbildung und in Gedanken zum Fenster hinunter bei<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0032]
der Leute, und unsaͤglichen Kampf und Streit im Gemuͤthe, der vom 13ten Jul. an bis beinahe ans Ende des Jahrs gewaͤhrt, nicht meines Verstandes beraubt worden.« — —
»Zwar hat es mir in meinem Leben bei aller der Furcht, die ich mir hie und da beigelegt und zugeschrieben, nicht an Herz und Muth gefehlt, so oft und so lange ich nur mit der Krankheit des Milzes und der Melancholie verschont geblieben. So lange mich nur diese Uebel nicht plagten; so erschrack ich vor keinem Menschen und vor keinem Feinde, ja ich konnte sogar wider denselben allen meinen noͤthigen Zorn und Eifer auslassen, ohne mein Gemuͤth sonderlich in Unruh zu setzen. Jch will nicht sagen, daß ich auch viele und große Sorge uͤber mich nehmen und weit aussehende Projecte machen konnte, ohne daß mir solches eine Pein oder Muͤhe verursacht haͤtte. Jch war auch den Winter durch frisch, gesund, stark, muthig und beherzt gewesen, und erschrack keinesweges vor allen den Verdruͤßlichkeiten, die ich mir von meinem Buche vorherprophezeite. Allein, da es nach Ostern kam und die Fruͤhlingshitze anging, so merkte ich, daß ich schon wiederum weder des Morgens noch gegen Abend in Buͤchern lesen konnte, welche eine große Aufmerksamkeit auf die Sache erfoderten. Die Lebensgeister liefen so schnelle, daß ich das Buch in kurzem mußte wieder hinlegen. Um ein Leichtes flohe ich in meiner Einbildung und in Gedanken zum Fenster hinunter bei
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