Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


geworden, den er hernach nie wieder ablegen konnte. Von den Talenten seines Kopfs habe ich schon oben gesprochen. Er hatte eine leichte Gabe, wenn er wollte, witzig zu seyn, und besaß eine nicht gemeine Galanterie gegen das andere Geschlecht, dem er oft sehr feine Schmeicheleien zu sagen wußte. Er las sehr fleißig in englischen und französischen Büchern, und hatte die erstere Sprache in einer Zeit von vier Wochen durch Hülfe eines Lexicons allein gelernt. Die Bücher, die er las, suchte er übrigens zusammenzuborgen, wo er sie finden und bekommen konnte.

Als ich das letztemahl mit ihm sprach, sagte er mir mit einer lächelnden Miene, daß seine Geschichte beinahe vor einiger Zeit in die Seelenkunde gekommen wäre, wohin sie sein Pflegvater, nebst seiner Silhouette habe einschicken wollen, welches letztere er sich aber verbeten habe. Uebrigens aber schien es ihm doch ein Vergnügen zu machen, wenn ich ihm sagte: daß erwohl noch einmahl ohne Silhouette ein Plätzchen in diesem Magazin finden könne.


Mir ist noch ein anderes ähnliches Beispiel von einem Hange zum Stehlen bekannt, den man beinahe für angeboren halten könnte. Eine Frau zu D -- hatte ihrem Mann schon oft heimlich etwas Geld weggenommen. Sie versucht diese Dieberei eines Tages bei der Abwesenheit des Mannes wieder, und ist eben beschäftigt einen Griff in die Casse


geworden, den er hernach nie wieder ablegen konnte. Von den Talenten seines Kopfs habe ich schon oben gesprochen. Er hatte eine leichte Gabe, wenn er wollte, witzig zu seyn, und besaß eine nicht gemeine Galanterie gegen das andere Geschlecht, dem er oft sehr feine Schmeicheleien zu sagen wußte. Er las sehr fleißig in englischen und franzoͤsischen Buͤchern, und hatte die erstere Sprache in einer Zeit von vier Wochen durch Huͤlfe eines Lexicons allein gelernt. Die Buͤcher, die er las, suchte er uͤbrigens zusammenzuborgen, wo er sie finden und bekommen konnte.

Als ich das letztemahl mit ihm sprach, sagte er mir mit einer laͤchelnden Miene, daß seine Geschichte beinahe vor einiger Zeit in die Seelenkunde gekommen waͤre, wohin sie sein Pflegvater, nebst seiner Silhouette habe einschicken wollen, welches letztere er sich aber verbeten habe. Uebrigens aber schien es ihm doch ein Vergnuͤgen zu machen, wenn ich ihm sagte: daß erwohl noch einmahl ohne Silhouette ein Plaͤtzchen in diesem Magazin finden koͤnne.


Mir ist noch ein anderes aͤhnliches Beispiel von einem Hange zum Stehlen bekannt, den man beinahe fuͤr angeboren halten koͤnnte. Eine Frau zu D — hatte ihrem Mann schon oft heimlich etwas Geld weggenommen. Sie versucht diese Dieberei eines Tages bei der Abwesenheit des Mannes wieder, und ist eben beschaͤftigt einen Griff in die Casse

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0045" n="45"/><lb/>
geworden, den er                   hernach nie wieder ablegen konnte. Von den Talenten seines Kopfs habe ich schon                   oben gesprochen. Er hatte eine leichte Gabe, wenn er wollte, witzig zu seyn, und                   besaß eine nicht gemeine Galanterie gegen das andere Geschlecht, dem er oft sehr                   feine Schmeicheleien zu sagen wußte. Er las sehr fleißig in englischen und                   franzo&#x0364;sischen Bu&#x0364;chern, und hatte die erstere Sprache in einer Zeit von vier Wochen                   durch Hu&#x0364;lfe eines Lexicons allein gelernt. Die Bu&#x0364;cher, die er las, suchte er                   u&#x0364;brigens zusammenzuborgen, wo er sie finden und bekommen konnte.</p>
            <p>Als ich das letztemahl mit ihm sprach, sagte er mir mit einer la&#x0364;chelnden Miene,                   daß seine Geschichte beinahe vor einiger Zeit in die Seelenkunde gekommen wa&#x0364;re,                   wohin sie sein Pflegvater, nebst seiner Silhouette habe einschicken wollen,                   welches letztere er sich aber verbeten habe. Uebrigens aber schien es ihm doch ein                   Vergnu&#x0364;gen zu machen, wenn ich ihm sagte: daß erwohl noch einmahl ohne Silhouette                   ein Pla&#x0364;tzchen in diesem Magazin finden ko&#x0364;nne.</p>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Mir ist noch ein anderes a&#x0364;hnliches Beispiel von einem Hange zum                   Stehlen bekannt, den man beinahe fu&#x0364;r angeboren halten ko&#x0364;nnte. Eine Frau zu D &#x2014;                   hatte ihrem Mann schon oft heimlich etwas Geld weggenommen. Sie versucht diese                   Dieberei eines Tages bei der Abwesenheit des Mannes wieder, und ist eben                   bescha&#x0364;ftigt einen Griff in die Casse<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0045] geworden, den er hernach nie wieder ablegen konnte. Von den Talenten seines Kopfs habe ich schon oben gesprochen. Er hatte eine leichte Gabe, wenn er wollte, witzig zu seyn, und besaß eine nicht gemeine Galanterie gegen das andere Geschlecht, dem er oft sehr feine Schmeicheleien zu sagen wußte. Er las sehr fleißig in englischen und franzoͤsischen Buͤchern, und hatte die erstere Sprache in einer Zeit von vier Wochen durch Huͤlfe eines Lexicons allein gelernt. Die Buͤcher, die er las, suchte er uͤbrigens zusammenzuborgen, wo er sie finden und bekommen konnte. Als ich das letztemahl mit ihm sprach, sagte er mir mit einer laͤchelnden Miene, daß seine Geschichte beinahe vor einiger Zeit in die Seelenkunde gekommen waͤre, wohin sie sein Pflegvater, nebst seiner Silhouette habe einschicken wollen, welches letztere er sich aber verbeten habe. Uebrigens aber schien es ihm doch ein Vergnuͤgen zu machen, wenn ich ihm sagte: daß erwohl noch einmahl ohne Silhouette ein Plaͤtzchen in diesem Magazin finden koͤnne. Mir ist noch ein anderes aͤhnliches Beispiel von einem Hange zum Stehlen bekannt, den man beinahe fuͤr angeboren halten koͤnnte. Eine Frau zu D — hatte ihrem Mann schon oft heimlich etwas Geld weggenommen. Sie versucht diese Dieberei eines Tages bei der Abwesenheit des Mannes wieder, und ist eben beschaͤftigt einen Griff in die Casse

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/45
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/45>, abgerufen am 21.11.2024.