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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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Einige Wochen vor der zu haltenden Hochzeit hatte man dem jungen Brautpaar zu Ehren auf dem Amthause zu W-- einen Ball gegeben. Der junge Reiter hatte sich des Abends heimlich unter die Zuschauer gemischt, hatte seine Geliebte tanzen gesehen, und dieser Anblick hatte die ganze Wuth seiner rachsüchtigen Liebe rege gemacht. Er rennte gleich einem tollen Menschen davon, nahm die geladenen Pistolen von seinem Bette, und erwartete an der Kirchhofsmauer das junge Brautpaar, welches den Weg dort vorbeipassiren mußte. Endlich kam auch die Unglückliche mit ihrem Bräutigam an der Hand an. Der Reiter trat hervor (es war dunkle Nacht) und bath seine Geliebte, daß er nur einen Augenblick mit ihr allein gehen dürfte. Sie wand sich von dem Arme ihres Bräutigams loß, indem sie ihm zu verstehen gab, daß sie gleich wieder bei ihm seyn würde; -- aber sie kam nicht wieder, man hörte in dem Augenblick einen Schuß, und todt lag das unglückliche Mädchen zu den Füßen ihres Mörders, als der Bräutigam herzu lief. Nun bist du wieder mein! rief der Mörder aus, ich werde dich bald, bald wieder sehen, und mit den Worten verschwand er durch die Dunkelheit der Nacht begünstigt, aber nicht um zu entfliehen, -- nein! er eilte von der ermordeten Geliebten gerades Wegs nach dem nächsten Gerichtsorte, gab sich selbst als Mörder des Mädchens an, und verlangte, daß man ihm so bald als möglich sein Recht geben und hin-


Einige Wochen vor der zu haltenden Hochzeit hatte man dem jungen Brautpaar zu Ehren auf dem Amthause zu W— einen Ball gegeben. Der junge Reiter hatte sich des Abends heimlich unter die Zuschauer gemischt, hatte seine Geliebte tanzen gesehen, und dieser Anblick hatte die ganze Wuth seiner rachsuͤchtigen Liebe rege gemacht. Er rennte gleich einem tollen Menschen davon, nahm die geladenen Pistolen von seinem Bette, und erwartete an der Kirchhofsmauer das junge Brautpaar, welches den Weg dort vorbeipassiren mußte. Endlich kam auch die Ungluͤckliche mit ihrem Braͤutigam an der Hand an. Der Reiter trat hervor (es war dunkle Nacht) und bath seine Geliebte, daß er nur einen Augenblick mit ihr allein gehen duͤrfte. Sie wand sich von dem Arme ihres Braͤutigams loß, indem sie ihm zu verstehen gab, daß sie gleich wieder bei ihm seyn wuͤrde; — aber sie kam nicht wieder, man hoͤrte in dem Augenblick einen Schuß, und todt lag das ungluͤckliche Maͤdchen zu den Fuͤßen ihres Moͤrders, als der Braͤutigam herzu lief. Nun bist du wieder mein! rief der Moͤrder aus, ich werde dich bald, bald wieder sehen, und mit den Worten verschwand er durch die Dunkelheit der Nacht beguͤnstigt, aber nicht um zu entfliehen, — nein! er eilte von der ermordeten Geliebten gerades Wegs nach dem naͤchsten Gerichtsorte, gab sich selbst als Moͤrder des Maͤdchens an, und verlangte, daß man ihm so bald als moͤglich sein Recht geben und hin-

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[52/0052] Einige Wochen vor der zu haltenden Hochzeit hatte man dem jungen Brautpaar zu Ehren auf dem Amthause zu W— einen Ball gegeben. Der junge Reiter hatte sich des Abends heimlich unter die Zuschauer gemischt, hatte seine Geliebte tanzen gesehen, und dieser Anblick hatte die ganze Wuth seiner rachsuͤchtigen Liebe rege gemacht. Er rennte gleich einem tollen Menschen davon, nahm die geladenen Pistolen von seinem Bette, und erwartete an der Kirchhofsmauer das junge Brautpaar, welches den Weg dort vorbeipassiren mußte. Endlich kam auch die Ungluͤckliche mit ihrem Braͤutigam an der Hand an. Der Reiter trat hervor (es war dunkle Nacht) und bath seine Geliebte, daß er nur einen Augenblick mit ihr allein gehen duͤrfte. Sie wand sich von dem Arme ihres Braͤutigams loß, indem sie ihm zu verstehen gab, daß sie gleich wieder bei ihm seyn wuͤrde; — aber sie kam nicht wieder, man hoͤrte in dem Augenblick einen Schuß, und todt lag das ungluͤckliche Maͤdchen zu den Fuͤßen ihres Moͤrders, als der Braͤutigam herzu lief. Nun bist du wieder mein! rief der Moͤrder aus, ich werde dich bald, bald wieder sehen, und mit den Worten verschwand er durch die Dunkelheit der Nacht beguͤnstigt, aber nicht um zu entfliehen, — nein! er eilte von der ermordeten Geliebten gerades Wegs nach dem naͤchsten Gerichtsorte, gab sich selbst als Moͤrder des Maͤdchens an, und verlangte, daß man ihm so bald als moͤglich sein Recht geben und hin-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/52>, abgerufen am 21.11.2024.