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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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Denken der Seele, welches von einem Schlafenden jetzt wahrgenommen würde, hätte die Seele ihre Gedanken für sich allein, und ließe keine Eindrücke, und folglich kein Andenken solcher Gedanken nach sich, weil sie sich der Organe des Leibes nicht bediente. Ohne nun wieder anzuführen, daß es ungereimt ist, wenn der Mensch zwo unterschiedene Personen ausmacht, welches aus dieser Meinung fließt, (und ich setze hinzu, welcher Gegenbeweis da Locke eigentlich nichts sagt, wie ich ein andermahl zeigen will) so antworte ich überdem noch, daß es sich ganz vernünftig schließen lasse, daß die Seele alle ohne Hülfe des Körpers erlangte Begriffe auch behalten könne, ohne des Körpers dazu benöthigt zu seyn, oder es wird sonst die Seele, oder ein von seinem Körper abgesonderter Geist von seinem Denken einen sehr geringen Vortheil haben. Kann die Seele sich nicht auf ihre eigene Gedanken besinnen, nicht zu ihrem Gebrauche aufbehalten, sich nicht ihrer vorigen Erfahrungen, Vernunftschlüsse und Beobachtungen zu Nutze machen, was hilft ihr denn das Denken? (Dies beweist weiter nichts gegen die immer fortwürkende Denkkraft der menschlichen Seele. Die Frage ist auch überhaupt gar nicht, wozu ihr ein Denken oder Bewußtseyn nöthig sey; sondern ob sie immer denkenkönne, denken müsse. Es giebt ja ohnedem in der menschlichen Seele unzählige Vorstellungen, warum man nicht sagen kann, daß sie gerade einen gewißen


Denken der Seele, welches von einem Schlafenden jetzt wahrgenommen wuͤrde, haͤtte die Seele ihre Gedanken fuͤr sich allein, und ließe keine Eindruͤcke, und folglich kein Andenken solcher Gedanken nach sich, weil sie sich der Organe des Leibes nicht bediente. Ohne nun wieder anzufuͤhren, daß es ungereimt ist, wenn der Mensch zwo unterschiedene Personen ausmacht, welches aus dieser Meinung fließt, (und ich setze hinzu, welcher Gegenbeweis da Locke eigentlich nichts sagt, wie ich ein andermahl zeigen will) so antworte ich uͤberdem noch, daß es sich ganz vernuͤnftig schließen lasse, daß die Seele alle ohne Huͤlfe des Koͤrpers erlangte Begriffe auch behalten koͤnne, ohne des Koͤrpers dazu benoͤthigt zu seyn, oder es wird sonst die Seele, oder ein von seinem Koͤrper abgesonderter Geist von seinem Denken einen sehr geringen Vortheil haben. Kann die Seele sich nicht auf ihre eigene Gedanken besinnen, nicht zu ihrem Gebrauche aufbehalten, sich nicht ihrer vorigen Erfahrungen, Vernunftschluͤsse und Beobachtungen zu Nutze machen, was hilft ihr denn das Denken? (Dies beweist weiter nichts gegen die immer fortwuͤrkende Denkkraft der menschlichen Seele. Die Frage ist auch uͤberhaupt gar nicht, wozu ihr ein Denken oder Bewußtseyn noͤthig sey; sondern ob sie immer denkenkoͤnne, denken muͤsse. Es giebt ja ohnedem in der menschlichen Seele unzaͤhlige Vorstellungen, warum man nicht sagen kann, daß sie gerade einen gewißen

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[76/0076] Denken der Seele, welches von einem Schlafenden jetzt wahrgenommen wuͤrde, haͤtte die Seele ihre Gedanken fuͤr sich allein, und ließe keine Eindruͤcke, und folglich kein Andenken solcher Gedanken nach sich, weil sie sich der Organe des Leibes nicht bediente. Ohne nun wieder anzufuͤhren, daß es ungereimt ist, wenn der Mensch zwo unterschiedene Personen ausmacht, welches aus dieser Meinung fließt, (und ich setze hinzu, welcher Gegenbeweis da Locke eigentlich nichts sagt, wie ich ein andermahl zeigen will) so antworte ich uͤberdem noch, daß es sich ganz vernuͤnftig schließen lasse, daß die Seele alle ohne Huͤlfe des Koͤrpers erlangte Begriffe auch behalten koͤnne, ohne des Koͤrpers dazu benoͤthigt zu seyn, oder es wird sonst die Seele, oder ein von seinem Koͤrper abgesonderter Geist von seinem Denken einen sehr geringen Vortheil haben. Kann die Seele sich nicht auf ihre eigene Gedanken besinnen, nicht zu ihrem Gebrauche aufbehalten, sich nicht ihrer vorigen Erfahrungen, Vernunftschluͤsse und Beobachtungen zu Nutze machen, was hilft ihr denn das Denken? (Dies beweist weiter nichts gegen die immer fortwuͤrkende Denkkraft der menschlichen Seele. Die Frage ist auch uͤberhaupt gar nicht, wozu ihr ein Denken oder Bewußtseyn noͤthig sey; sondern ob sie immer denkenkoͤnne, denken muͤsse. Es giebt ja ohnedem in der menschlichen Seele unzaͤhlige Vorstellungen, warum man nicht sagen kann, daß sie gerade einen gewißen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/76>, abgerufen am 21.11.2024.