noissances humaines Vol. II.). Nach seiner Meinung waren die Töne der Leidenschaften, die uns thierisch-eigen sind, gleichsam die Wurzelwörter der Sprache, und Condillac hat nicht ganz Unrecht; ob er freilich so wie andere nicht hat zeigen können, wie sich aus den Naturlauten haben Wörter bilden können. Herder, welcher ihn getadelt hat, ohne selbst eine bestimmte Erklärung des ersten Ursprungs der Sprache anzugeben, meint, daß aus dem blos tönenden Ausdruck der thierischen Leidenschaft nimmermehr eine Sprache habe entstehen können, (Siehe dessen Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berl. 1772.) so wenig als die Thiere, welche ihre Leidenschaften auch durch Töne ausdrückten, deswegen zu einer Sprachfähigkeit geschickt wären. Allein der Unterschied zwischen Menschen und Thier ist doch auch selbst in Absicht der Naturlaute der Leidenschaften sehr sichtbar. Der Mensch hat eine viel größere Menge von Naturlauten vermöge der Modulation seiner Stimme in seiner Gewalt, als das Thier, -- und als Thier würde der Mensch auch gewiß nie eine Sprache zusammengesetzt haben; aber als Mensch konnte er anscheinliche Begriffe mit diesem und jenen Naturlaut verbinden und ihn zu einem Wortausdruck eines gewissen Gegenstandes, einer gewissen Empfindung machen. Freilich nach und nach, je nachdem die Reflexion mit in den Bau der Naturlaute durch weggelassene oder hinzugesetzte Silben einfloß. Eine
noissances humaines Vol. II.). Nach seiner Meinung waren die Toͤne der Leidenschaften, die uns thierisch-eigen sind, gleichsam die Wurzelwoͤrter der Sprache, und Condillac hat nicht ganz Unrecht; ob er freilich so wie andere nicht hat zeigen koͤnnen, wie sich aus den Naturlauten haben Woͤrter bilden koͤnnen. Herder, welcher ihn getadelt hat, ohne selbst eine bestimmte Erklaͤrung des ersten Ursprungs der Sprache anzugeben, meint, daß aus dem blos toͤnenden Ausdruck der thierischen Leidenschaft nimmermehr eine Sprache habe entstehen koͤnnen, (Siehe dessen Abhandlung uͤber den Ursprung der Sprache. Berl. 1772.) so wenig als die Thiere, welche ihre Leidenschaften auch durch Toͤne ausdruͤckten, deswegen zu einer Sprachfaͤhigkeit geschickt waͤren. Allein der Unterschied zwischen Menschen und Thier ist doch auch selbst in Absicht der Naturlaute der Leidenschaften sehr sichtbar. Der Mensch hat eine viel groͤßere Menge von Naturlauten vermoͤge der Modulation seiner Stimme in seiner Gewalt, als das Thier, — und als Thier wuͤrde der Mensch auch gewiß nie eine Sprache zusammengesetzt haben; aber als Mensch konnte er anscheinliche Begriffe mit diesem und jenen Naturlaut verbinden und ihn zu einem Wortausdruck eines gewissen Gegenstandes, einer gewissen Empfindung machen. Freilich nach und nach, je nachdem die Reflexion mit in den Bau der Naturlaute durch weggelassene oder hinzugesetzte Silben einfloß. Eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><hirendition="#aq"><pbfacs="#f0084"n="84"/><lb/>
noissances humaines Vol. II.)</hi>. Nach seiner Meinung waren die Toͤne der Leidenschaften, die uns thierisch-eigen sind, gleichsam die Wurzelwoͤrter der Sprache, und Condillac hat nicht ganz Unrecht; ob er freilich so wie andere nicht hat zeigen koͤnnen, wie sich aus den Naturlauten haben Woͤrter bilden koͤnnen. <hirendition="#b">Herder,</hi> welcher ihn getadelt hat, ohne selbst eine <hirendition="#b">bestimmte</hi> Erklaͤrung des ersten Ursprungs der Sprache anzugeben, meint, daß aus dem blos toͤnenden Ausdruck der thierischen Leidenschaft nimmermehr eine Sprache habe entstehen koͤnnen, (Siehe dessen Abhandlung uͤber den Ursprung der Sprache. Berl. 1772.) so wenig als die Thiere, welche ihre Leidenschaften auch durch Toͤne ausdruͤckten, deswegen zu einer Sprachfaͤhigkeit geschickt waͤren. Allein der Unterschied zwischen Menschen und Thier ist doch auch selbst in Absicht der Naturlaute der Leidenschaften sehr sichtbar. Der Mensch hat eine viel groͤßere Menge von Naturlauten vermoͤge der Modulation seiner Stimme in seiner Gewalt, als das Thier, — und als Thier wuͤrde der Mensch auch gewiß nie eine Sprache zusammengesetzt haben; aber als Mensch konnte er anscheinliche Begriffe mit diesem und jenen Naturlaut verbinden und ihn zu einem Wortausdruck eines gewissen Gegenstandes, einer gewissen Empfindung machen. Freilich nach und nach, je nachdem <hirendition="#b">die Reflexion</hi> mit in den Bau der Naturlaute durch weggelassene oder hinzugesetzte Silben einfloß. Eine<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[84/0084]
noissances humaines Vol. II.). Nach seiner Meinung waren die Toͤne der Leidenschaften, die uns thierisch-eigen sind, gleichsam die Wurzelwoͤrter der Sprache, und Condillac hat nicht ganz Unrecht; ob er freilich so wie andere nicht hat zeigen koͤnnen, wie sich aus den Naturlauten haben Woͤrter bilden koͤnnen. Herder, welcher ihn getadelt hat, ohne selbst eine bestimmte Erklaͤrung des ersten Ursprungs der Sprache anzugeben, meint, daß aus dem blos toͤnenden Ausdruck der thierischen Leidenschaft nimmermehr eine Sprache habe entstehen koͤnnen, (Siehe dessen Abhandlung uͤber den Ursprung der Sprache. Berl. 1772.) so wenig als die Thiere, welche ihre Leidenschaften auch durch Toͤne ausdruͤckten, deswegen zu einer Sprachfaͤhigkeit geschickt waͤren. Allein der Unterschied zwischen Menschen und Thier ist doch auch selbst in Absicht der Naturlaute der Leidenschaften sehr sichtbar. Der Mensch hat eine viel groͤßere Menge von Naturlauten vermoͤge der Modulation seiner Stimme in seiner Gewalt, als das Thier, — und als Thier wuͤrde der Mensch auch gewiß nie eine Sprache zusammengesetzt haben; aber als Mensch konnte er anscheinliche Begriffe mit diesem und jenen Naturlaut verbinden und ihn zu einem Wortausdruck eines gewissen Gegenstandes, einer gewissen Empfindung machen. Freilich nach und nach, je nachdem die Reflexion mit in den Bau der Naturlaute durch weggelassene oder hinzugesetzte Silben einfloß. Eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/84>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.