Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0084" n="84"/><lb/> noissances humaines Vol. II.)</hi>. Nach seiner Meinung waren die Toͤne der Leidenschaften, die uns thierisch-eigen sind, gleichsam die Wurzelwoͤrter der Sprache, und Condillac hat nicht ganz Unrecht; ob er freilich so wie andere nicht hat zeigen koͤnnen, wie sich aus den Naturlauten haben Woͤrter bilden koͤnnen. <hi rendition="#b">Herder,</hi> welcher ihn getadelt hat, ohne selbst eine <hi rendition="#b">bestimmte</hi> Erklaͤrung des ersten Ursprungs der Sprache anzugeben, meint, daß aus dem blos toͤnenden Ausdruck der thierischen Leidenschaft nimmermehr eine Sprache habe entstehen koͤnnen, (Siehe dessen Abhandlung uͤber den Ursprung der Sprache. Berl. 1772.) so wenig als die Thiere, welche ihre Leidenschaften auch durch Toͤne ausdruͤckten, deswegen zu einer Sprachfaͤhigkeit geschickt waͤren. Allein der Unterschied zwischen Menschen und Thier ist doch auch selbst in Absicht der Naturlaute der Leidenschaften sehr sichtbar. Der Mensch hat eine viel groͤßere Menge von Naturlauten vermoͤge der Modulation seiner Stimme in seiner Gewalt, als das Thier, — und als Thier wuͤrde der Mensch auch gewiß nie eine Sprache zusammengesetzt haben; aber als Mensch konnte er anscheinliche Begriffe mit diesem und jenen Naturlaut verbinden und ihn zu einem Wortausdruck eines gewissen Gegenstandes, einer gewissen Empfindung machen. Freilich nach und nach, je nachdem <hi rendition="#b">die Reflexion</hi> mit in den Bau der Naturlaute durch weggelassene oder hinzugesetzte Silben einfloß. Eine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0084]
noissances humaines Vol. II.). Nach seiner Meinung waren die Toͤne der Leidenschaften, die uns thierisch-eigen sind, gleichsam die Wurzelwoͤrter der Sprache, und Condillac hat nicht ganz Unrecht; ob er freilich so wie andere nicht hat zeigen koͤnnen, wie sich aus den Naturlauten haben Woͤrter bilden koͤnnen. Herder, welcher ihn getadelt hat, ohne selbst eine bestimmte Erklaͤrung des ersten Ursprungs der Sprache anzugeben, meint, daß aus dem blos toͤnenden Ausdruck der thierischen Leidenschaft nimmermehr eine Sprache habe entstehen koͤnnen, (Siehe dessen Abhandlung uͤber den Ursprung der Sprache. Berl. 1772.) so wenig als die Thiere, welche ihre Leidenschaften auch durch Toͤne ausdruͤckten, deswegen zu einer Sprachfaͤhigkeit geschickt waͤren. Allein der Unterschied zwischen Menschen und Thier ist doch auch selbst in Absicht der Naturlaute der Leidenschaften sehr sichtbar. Der Mensch hat eine viel groͤßere Menge von Naturlauten vermoͤge der Modulation seiner Stimme in seiner Gewalt, als das Thier, — und als Thier wuͤrde der Mensch auch gewiß nie eine Sprache zusammengesetzt haben; aber als Mensch konnte er anscheinliche Begriffe mit diesem und jenen Naturlaut verbinden und ihn zu einem Wortausdruck eines gewissen Gegenstandes, einer gewissen Empfindung machen. Freilich nach und nach, je nachdem die Reflexion mit in den Bau der Naturlaute durch weggelassene oder hinzugesetzte Silben einfloß. Eine
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