Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
Der Traum besteht in einer fortgesetzten Thätigkeit unsrer Seele, wenn sich unsere Sinne geschlossen haben, und kann auf eine dreifache Art entstehen: 1) durch einen äußeren Anstoß, eine äußere Veränderung unseres Körpers; 2) durch eine innere
Der Traum besteht in einer fortgesetzten Thaͤtigkeit unsrer Seele, wenn sich unsere Sinne geschlossen haben, und kann auf eine dreifache Art entstehen: 1) durch einen aͤußeren Anstoß, eine aͤußere Veraͤnderung unseres Koͤrpers; 2) durch eine innere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0098" n="98"/><lb/> und diese Neigung hat ihren Ursprung ohnstreitig in der Erfahrung, indem wir nicht nur viel entgegengesetzte Dinge taͤglich um und neben uns wahrnehmen, sondern auch durch den Umgang mit andern, und durch die <hi rendition="#b">Natur</hi> der Sprache alle Augenblicke darauf hingefuͤhrt werden. Es kann uns also auch wohl sehr natuͤrlich ein unanstaͤndiges Praͤdicat zu einer heiligen Sache einfallen, welches ihr zwar selbst nicht eigen ist, welches wir ihr aber <hi rendition="#b">andichten, weil es als ein</hi> <hi rendition="#aq">Oppositum</hi> <hi rendition="#b">unserer Neigung zum Contrast schmeichelt.</hi> Daß wir aber uns eines solchen Praͤdicats immer wieder so leicht erinnern, kommt wohl daher, weil es uns in seiner Verbindung mit einer heiligen Sache zu <hi rendition="#b">sehr auffaͤllt,</hi> und weil wir etwas Verbotenes dabei wahrzunehmen glauben, wozu alle Menschen eine Neigung haben. Haͤtte man immer diese Gruͤnde naͤher untersucht, so wuͤrde man nicht dergleichen Erscheinungen dem Teufel aufgeladen und eine Menge Menschen von den ungluͤcklichsten Gewissensunruhen leichte geheilt haben, die sich oft schon fuͤr verdammte Menschen hielten, weil sie jene unheiligen Gedanken nicht loswerden konnten.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Der Traum besteht in einer fortgesetzten Thaͤtigkeit unsrer Seele, wenn sich unsere Sinne geschlossen haben, und kann auf eine dreifache Art entstehen: 1) durch einen aͤußeren Anstoß, eine aͤußere Veraͤnderung unseres Koͤrpers; 2) durch eine innere<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0098]
und diese Neigung hat ihren Ursprung ohnstreitig in der Erfahrung, indem wir nicht nur viel entgegengesetzte Dinge taͤglich um und neben uns wahrnehmen, sondern auch durch den Umgang mit andern, und durch die Natur der Sprache alle Augenblicke darauf hingefuͤhrt werden. Es kann uns also auch wohl sehr natuͤrlich ein unanstaͤndiges Praͤdicat zu einer heiligen Sache einfallen, welches ihr zwar selbst nicht eigen ist, welches wir ihr aber andichten, weil es als ein Oppositum unserer Neigung zum Contrast schmeichelt. Daß wir aber uns eines solchen Praͤdicats immer wieder so leicht erinnern, kommt wohl daher, weil es uns in seiner Verbindung mit einer heiligen Sache zu sehr auffaͤllt, und weil wir etwas Verbotenes dabei wahrzunehmen glauben, wozu alle Menschen eine Neigung haben. Haͤtte man immer diese Gruͤnde naͤher untersucht, so wuͤrde man nicht dergleichen Erscheinungen dem Teufel aufgeladen und eine Menge Menschen von den ungluͤcklichsten Gewissensunruhen leichte geheilt haben, die sich oft schon fuͤr verdammte Menschen hielten, weil sie jene unheiligen Gedanken nicht loswerden konnten.
Der Traum besteht in einer fortgesetzten Thaͤtigkeit unsrer Seele, wenn sich unsere Sinne geschlossen haben, und kann auf eine dreifache Art entstehen: 1) durch einen aͤußeren Anstoß, eine aͤußere Veraͤnderung unseres Koͤrpers; 2) durch eine innere
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |