Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.
Diese Schilderung kommt mir wichtig vor, und man sieht daraus, wie die Menschen auf eigene Büßungen und Casteiungen gefallen sind, und darin erhalten werden. Der Gedanke, daß man sich selbst Martern anthut, um sich zu bessern, daß man sich also eines sehr guten Willens bewußt zu seyn glaubt, und die damit verbundene sich selbst genugthuende Phantasie, die alle Religiösen geisselt, muß ganz natürlich ein inneres angenehmes Behagen erzeugen, daß bey aller Demüthigung, die es vorauszusetzen scheint, doch immer noch in einem geistigen Eigendünkel seinen Grund haben mag. "Jch rechnete es", fährt er fort, "zur Aufrichtigkeit und meiner Schuldigkeit, recht traurig zu seyn. Mehrere Monate war ich in diesem Hange zur steten geistlichen Betrübniß". Auch auf der Academie dauert dieser Zustand durch den Umgang mit zwey seiner mystischen Freunde fort. Sie rathen ihm das unselige Studiren wegzuwerfen, der
Diese Schilderung kommt mir wichtig vor, und man sieht daraus, wie die Menschen auf eigene Buͤßungen und Casteiungen gefallen sind, und darin erhalten werden. Der Gedanke, daß man sich selbst Martern anthut, um sich zu bessern, daß man sich also eines sehr guten Willens bewußt zu seyn glaubt, und die damit verbundene sich selbst genugthuende Phantasie, die alle Religioͤsen geisselt, muß ganz natuͤrlich ein inneres angenehmes Behagen erzeugen, daß bey aller Demuͤthigung, die es vorauszusetzen scheint, doch immer noch in einem geistigen Eigenduͤnkel seinen Grund haben mag. »Jch rechnete es«, faͤhrt er fort, »zur Aufrichtigkeit und meiner Schuldigkeit, recht traurig zu seyn. Mehrere Monate war ich in diesem Hange zur steten geistlichen Betruͤbniß«. Auch auf der Academie dauert dieser Zustand durch den Umgang mit zwey seiner mystischen Freunde fort. Sie rathen ihm das unselige Studiren wegzuwerfen, der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0121" n="121"/><lb/> menbuͤchse des Sonntags gesteckt haͤtte. Jch sagte es meinem Vater, und bat um so viel Groschen, die ich naͤchstens mit großer Freude einsteckte. — Jch hatte aus unvorsichtigen lateinischen und <choice><corr>griechischen</corr><sic>grichischen</sic></choice> Asceten wirklich Principia von eigener Buͤßung und Genugthuung im Kopfe, und bey dieser innerlichen Unruhe war die selbst dictirte Strafe und Erniedrigung wirklich eine innerliche <choice><corr>Beruhigung«.</corr><sic>Beruhigung.</sic></choice></p> <p>Diese Schilderung kommt mir wichtig vor, und man sieht daraus, wie die Menschen auf eigene Buͤßungen und Casteiungen gefallen sind, und darin erhalten werden. Der Gedanke, daß man sich selbst Martern anthut, um sich zu bessern, daß man sich also eines <hi rendition="#b">sehr guten Willens</hi> bewußt zu seyn glaubt, und die damit verbundene sich selbst genugthuende Phantasie, die alle <choice><corr>Religioͤsen</corr><sic>Religiosen</sic></choice> geisselt, muß ganz natuͤrlich ein inneres angenehmes Behagen erzeugen, daß bey aller Demuͤthigung, die es vorauszusetzen scheint, doch immer noch in einem geistigen Eigenduͤnkel seinen Grund haben mag.</p> <p>»Jch rechnete es«, faͤhrt er fort, »zur Aufrichtigkeit und meiner Schuldigkeit, recht traurig zu seyn. Mehrere Monate war ich in diesem Hange zur steten geistlichen Betruͤbniß«. Auch auf der Academie dauert dieser Zustand durch den Umgang mit zwey seiner mystischen Freunde fort. Sie rathen ihm das unselige Studiren wegzuwerfen, der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0121]
menbuͤchse des Sonntags gesteckt haͤtte. Jch sagte es meinem Vater, und bat um so viel Groschen, die ich naͤchstens mit großer Freude einsteckte. — Jch hatte aus unvorsichtigen lateinischen und griechischen Asceten wirklich Principia von eigener Buͤßung und Genugthuung im Kopfe, und bey dieser innerlichen Unruhe war die selbst dictirte Strafe und Erniedrigung wirklich eine innerliche Beruhigung«.
Diese Schilderung kommt mir wichtig vor, und man sieht daraus, wie die Menschen auf eigene Buͤßungen und Casteiungen gefallen sind, und darin erhalten werden. Der Gedanke, daß man sich selbst Martern anthut, um sich zu bessern, daß man sich also eines sehr guten Willens bewußt zu seyn glaubt, und die damit verbundene sich selbst genugthuende Phantasie, die alle Religioͤsen geisselt, muß ganz natuͤrlich ein inneres angenehmes Behagen erzeugen, daß bey aller Demuͤthigung, die es vorauszusetzen scheint, doch immer noch in einem geistigen Eigenduͤnkel seinen Grund haben mag.
»Jch rechnete es«, faͤhrt er fort, »zur Aufrichtigkeit und meiner Schuldigkeit, recht traurig zu seyn. Mehrere Monate war ich in diesem Hange zur steten geistlichen Betruͤbniß«. Auch auf der Academie dauert dieser Zustand durch den Umgang mit zwey seiner mystischen Freunde fort. Sie rathen ihm das unselige Studiren wegzuwerfen, der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |