Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0030" n="30"/><lb/> chen. Wenn es uns daher versagt ist, Jdeen nach Willkuͤhr zu schaffen, oder auch nur zu gewuͤnschter Zeit beliebige Bilder vor dem innern Auge, wie in einer Laterne magica, voruͤberzufuͤhren; so koͤnnen wir doch die jedesmalige Jdeenmasse, die Augenblicke der Betaͤubung oder Ueberraschung ausgenommen, nach Willkuͤhr richten und stellen, und dem innern neugebildeten Creiße der sich associirenden Jdeen seinen Mittelpunkt geben, ja sogar davon einige herbey rufen, die ohne dies diesen Creiß fuͤr jetzt nicht beruͤhrt haben wuͤrden. Alles dies geschieht durch einen verstaͤrkten Grad der innern Selbstthaͤtigkeit. (Dieses <hi rendition="#aq">primum mobile</hi> des gesamten geistigen Systems in der lebendigen <choice><corr>Welt.)</corr><sic>Welt)</sic></choice> Das Gedaͤchtniß belebt sich zu neuen Erinnerungen, die Jmagination stellt alle ihre Anschauungen in hellerm und staͤrkerm Lichte dar, der Witz verknuͤpft mit groͤßerer Schnellkraft die homogenen Jntuitionen. Die Seele sitzt unter ihren Jdeen wie eine Spinne in der Mitte ihres Gewebes. Was sie von allen Seiten her in allen Weiten um sich herum sieht, oder empfindet, wird ihr Stoff zu dem geistigen Gewebe; jeder neue und lebhafte Begriff, jedes frischere Bild dient ihm, Farbe und Einschlag zu geben. So wie also nach der alltaͤglichen Erfahrung der Mensch immer mehr Thier als Geist ist, und durch seine sinnliche Organisation seyn muß, sowie er sich immer mehr von den untern Seelenkraͤften mechanisch hinziehen, als von den obern vernuͤnftig leiten laͤßt, mehr durch<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0030]
chen. Wenn es uns daher versagt ist, Jdeen nach Willkuͤhr zu schaffen, oder auch nur zu gewuͤnschter Zeit beliebige Bilder vor dem innern Auge, wie in einer Laterne magica, voruͤberzufuͤhren; so koͤnnen wir doch die jedesmalige Jdeenmasse, die Augenblicke der Betaͤubung oder Ueberraschung ausgenommen, nach Willkuͤhr richten und stellen, und dem innern neugebildeten Creiße der sich associirenden Jdeen seinen Mittelpunkt geben, ja sogar davon einige herbey rufen, die ohne dies diesen Creiß fuͤr jetzt nicht beruͤhrt haben wuͤrden. Alles dies geschieht durch einen verstaͤrkten Grad der innern Selbstthaͤtigkeit. (Dieses primum mobile des gesamten geistigen Systems in der lebendigen Welt.) Das Gedaͤchtniß belebt sich zu neuen Erinnerungen, die Jmagination stellt alle ihre Anschauungen in hellerm und staͤrkerm Lichte dar, der Witz verknuͤpft mit groͤßerer Schnellkraft die homogenen Jntuitionen. Die Seele sitzt unter ihren Jdeen wie eine Spinne in der Mitte ihres Gewebes. Was sie von allen Seiten her in allen Weiten um sich herum sieht, oder empfindet, wird ihr Stoff zu dem geistigen Gewebe; jeder neue und lebhafte Begriff, jedes frischere Bild dient ihm, Farbe und Einschlag zu geben. So wie also nach der alltaͤglichen Erfahrung der Mensch immer mehr Thier als Geist ist, und durch seine sinnliche Organisation seyn muß, sowie er sich immer mehr von den untern Seelenkraͤften mechanisch hinziehen, als von den obern vernuͤnftig leiten laͤßt, mehr durch
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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