Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.
Um aber zu einer solchen analytischen Kenntniß der Leidenschaften zu gelangen, müßten wir vornehmlich die Aeußerungen derselben in sehr vielen, und auch zum Theil unerwarteten Fällen zu beobachten suchen. Dem aufmerksamsten Psychologen entwischen oft selbst die wahren Gründe eines Phänomens,
Um aber zu einer solchen analytischen Kenntniß der Leidenschaften zu gelangen, muͤßten wir vornehmlich die Aeußerungen derselben in sehr vielen, und auch zum Theil unerwarteten Faͤllen zu beobachten suchen. Dem aufmerksamsten Psychologen entwischen oft selbst die wahren Gruͤnde eines Phaͤnomens, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0053" n="53"/><lb/> Versuche muͤßten die Leidenschaften gleichsam anatomirt, und in die einfachsten Bestandtheile der Empfindung und des Wollens zerlegt werden. Er muͤßte die genauesten auf bestimmte Erfahrungen gebauten Gruͤnde enthalten, <hi rendition="#b">warum</hi> eine Leidenschaft jetzt so und nicht anders entstand; <hi rendition="#b">warum</hi> und <hi rendition="#b">wie</hi> sie sich mit andern vermischte, umtauschte, und neue Grade des Wollens hervorbrachte; welcher Grad und warum <hi rendition="#b">dieser</hi> Grad von Jdeenlebhaftigkeit oder auch koͤrperlichen Einflusses erfodert wurde, der Leidenschaft ihre eigenthuͤmliche Spannung und Reizbarkeit zu geben. Vornehmlich aber muͤßte ein solcher Versuch zeigen, <hi rendition="#b">wie</hi> eine jede Leidenschaft endlich mit einem allgemeinen Princip des Wollens, so vermischter Natur sie auch seyn mag, zusammenhaͤngt, und nach demselben ihre verschiedenen Gestalten, Schattirungen und Nuͤancen erhaͤlt. — Daß es ein solches allgemeines, und zwar <hi rendition="#b">einziges</hi> Princip des Wollens giebt, ist nicht zu laͤugnen, so sehr auch die alten und neuen Philosophen in den Hauptzweigen seiner Aeußerungen voneinander abgehen.</p> <p>Um aber zu einer solchen analytischen Kenntniß der Leidenschaften zu gelangen, muͤßten wir vornehmlich die Aeußerungen derselben in sehr vielen, und auch zum Theil unerwarteten Faͤllen zu beobachten suchen. Dem aufmerksamsten Psychologen entwischen oft selbst die wahren Gruͤnde eines <choice><corr>Phaͤnomens,</corr><sic>Phoͤnomens</sic></choice><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0053]
Versuche muͤßten die Leidenschaften gleichsam anatomirt, und in die einfachsten Bestandtheile der Empfindung und des Wollens zerlegt werden. Er muͤßte die genauesten auf bestimmte Erfahrungen gebauten Gruͤnde enthalten, warum eine Leidenschaft jetzt so und nicht anders entstand; warum und wie sie sich mit andern vermischte, umtauschte, und neue Grade des Wollens hervorbrachte; welcher Grad und warum dieser Grad von Jdeenlebhaftigkeit oder auch koͤrperlichen Einflusses erfodert wurde, der Leidenschaft ihre eigenthuͤmliche Spannung und Reizbarkeit zu geben. Vornehmlich aber muͤßte ein solcher Versuch zeigen, wie eine jede Leidenschaft endlich mit einem allgemeinen Princip des Wollens, so vermischter Natur sie auch seyn mag, zusammenhaͤngt, und nach demselben ihre verschiedenen Gestalten, Schattirungen und Nuͤancen erhaͤlt. — Daß es ein solches allgemeines, und zwar einziges Princip des Wollens giebt, ist nicht zu laͤugnen, so sehr auch die alten und neuen Philosophen in den Hauptzweigen seiner Aeußerungen voneinander abgehen.
Um aber zu einer solchen analytischen Kenntniß der Leidenschaften zu gelangen, muͤßten wir vornehmlich die Aeußerungen derselben in sehr vielen, und auch zum Theil unerwarteten Faͤllen zu beobachten suchen. Dem aufmerksamsten Psychologen entwischen oft selbst die wahren Gruͤnde eines Phaͤnomens,
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