Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


hiebey meine Jdeen über die Moralität einer Leidenschaft geäußert habe; -- so scheint dies nun eigentlich nicht grade zu Materialien zu gehören, allein es scheint nur so; indem wir keine Leidenschaft ohne einen gewissen moralischen Bezug auf unser Seyn denken können, sobald wir sie als eine Willensäußerung eines vernünftigen Wesens denken.

Eigentlich hätte ich wohl von der Selbstliebe anfangen sollen, da sie nach einer genauen Zergliederung unsrer Empfindungen, als der erste physische und moralische Wollenstrieb unserer gesamten Thätigkeit angesehen werden muß; aber ich sage noch einmal, daß bey Sammlung bloßer Materialien noch nicht die Frage ist, ob sie in einer gewissen Ordnung liegen müssen. Auch könnte ich noch hinzusetzen, daß erst nach einer genauen Anatomie der Leidenschaften die Selbstliebe in der Theorie der Empfindungen als das erste Prinzip des Wollens erscheine, und als ein solches erkannt werden müsse, was auch die Vertheidiger der selbstständigen wohlwollenden Gefühle dagegen sagen mögen.

P.


Neid -- Mißgunst --

Zu den an sich unangenehmen Gemüthsbewegungen, die in Rücksicht eines vernünftigen Wesens


hiebey meine Jdeen uͤber die Moralitaͤt einer Leidenschaft geaͤußert habe; — so scheint dies nun eigentlich nicht grade zu Materialien zu gehoͤren, allein es scheint nur so; indem wir keine Leidenschaft ohne einen gewissen moralischen Bezug auf unser Seyn denken koͤnnen, sobald wir sie als eine Willensaͤußerung eines vernuͤnftigen Wesens denken.

Eigentlich haͤtte ich wohl von der Selbstliebe anfangen sollen, da sie nach einer genauen Zergliederung unsrer Empfindungen, als der erste physische und moralische Wollenstrieb unserer gesamten Thaͤtigkeit angesehen werden muß; aber ich sage noch einmal, daß bey Sammlung bloßer Materialien noch nicht die Frage ist, ob sie in einer gewissen Ordnung liegen muͤssen. Auch koͤnnte ich noch hinzusetzen, daß erst nach einer genauen Anatomie der Leidenschaften die Selbstliebe in der Theorie der Empfindungen als das erste Prinzip des Wollens erscheine, und als ein solches erkannt werden muͤsse, was auch die Vertheidiger der selbststaͤndigen wohlwollenden Gefuͤhle dagegen sagen moͤgen.

P.


Neid — Mißgunst —

Zu den an sich unangenehmen Gemuͤthsbewegungen, die in Ruͤcksicht eines vernuͤnftigen Wesens

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0056" n="56"/><lb/>
hiebey meine Jdeen u&#x0364;ber die <hi rendition="#b">Moralita&#x0364;t</hi> einer Leidenschaft gea&#x0364;ußert habe; &#x2014; so scheint dies nun                   eigentlich nicht grade zu <hi rendition="#b">Materialien</hi> zu geho&#x0364;ren, allein                   es scheint nur so; indem wir keine Leidenschaft ohne einen gewissen moralischen                   Bezug auf unser <hi rendition="#b">Seyn</hi> denken ko&#x0364;nnen, sobald wir sie als                   eine Willensa&#x0364;ußerung eines vernu&#x0364;nftigen Wesens denken.</p>
            <p>Eigentlich ha&#x0364;tte ich wohl von der <hi rendition="#b">Selbstliebe</hi> anfangen                   sollen, da sie nach einer genauen Zergliederung unsrer Empfindungen, als der erste                   physische und moralische Wollenstrieb unserer gesamten Tha&#x0364;tigkeit angesehen werden                   muß; aber ich sage noch einmal, daß bey Sammlung bloßer Materialien noch nicht die                   Frage ist, ob sie in einer gewissen Ordnung liegen mu&#x0364;ssen. Auch ko&#x0364;nnte ich noch                   hinzusetzen, daß erst <hi rendition="#b">nach</hi> einer genauen Anatomie der                   Leidenschaften die Selbstliebe in der Theorie der Empfindungen als <hi rendition="#b">das erste Prinzip</hi> des Wollens erscheine, und als ein solches                   erkannt werden mu&#x0364;sse, was auch die Vertheidiger der selbststa&#x0364;ndigen wohlwollenden                   Gefu&#x0364;hle dagegen sagen mo&#x0364;gen.</p>
            <p rendition="#right"> <hi rendition="#b">
                <persName ref="#ref0002"><note type="editorial">Pockels,          Carl Friedrich</note>P.</persName>
              </hi> </p>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head>Neid &#x2014; Mißgunst &#x2014;</head><lb/>
              <p>Zu den <hi rendition="#b">an sich unangenehmen</hi> Gemu&#x0364;thsbewegungen, die in Ru&#x0364;cksicht eines vernu&#x0364;nftigen Wesens<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0056] hiebey meine Jdeen uͤber die Moralitaͤt einer Leidenschaft geaͤußert habe; — so scheint dies nun eigentlich nicht grade zu Materialien zu gehoͤren, allein es scheint nur so; indem wir keine Leidenschaft ohne einen gewissen moralischen Bezug auf unser Seyn denken koͤnnen, sobald wir sie als eine Willensaͤußerung eines vernuͤnftigen Wesens denken. Eigentlich haͤtte ich wohl von der Selbstliebe anfangen sollen, da sie nach einer genauen Zergliederung unsrer Empfindungen, als der erste physische und moralische Wollenstrieb unserer gesamten Thaͤtigkeit angesehen werden muß; aber ich sage noch einmal, daß bey Sammlung bloßer Materialien noch nicht die Frage ist, ob sie in einer gewissen Ordnung liegen muͤssen. Auch koͤnnte ich noch hinzusetzen, daß erst nach einer genauen Anatomie der Leidenschaften die Selbstliebe in der Theorie der Empfindungen als das erste Prinzip des Wollens erscheine, und als ein solches erkannt werden muͤsse, was auch die Vertheidiger der selbststaͤndigen wohlwollenden Gefuͤhle dagegen sagen moͤgen. P. Neid — Mißgunst — Zu den an sich unangenehmen Gemuͤthsbewegungen, die in Ruͤcksicht eines vernuͤnftigen Wesens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/56
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/56>, abgerufen am 18.12.2024.