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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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Vorstellungen werden von uns auf ein anderes leidendes Object hingewandt, und in dieser durchs Mitleiden bewürkten Zerstreuung unsrer Jdeen und dem Umtausch unsrer Gefühle liegt vornehmlich jenes: solamen miseris socios habere malorum des alten lateinischen Dichters.

Man wende mir nicht ein, daß das Mitleiden selbst eine unangenehme Empfindung sey, und weil es sich auf die Jdee eines uns dargestellten leidenden Objects gründe, dadurch unmöglich eine verminderte Vorstellung meines eigenen unglücklichen Zustandes hervorgebracht werden könne. Die Natur des Mitleidens besteht in einer gemischten Empfindung, so wie die meisten Affecten, die sich auf Gegenstände ausser uns beziehen; nehmlich in einem wirklich unangenehmen Mitgefühl mit dem Unglücklichen, indem wir uns in seine Stelle hineinsetzen, und uns für ihn interessiren; und in einem wehmüthigen Bewußtseyn dieser Empfindung und ihres moralischen Werths, wodurch wir gleichsam in jedem Moment der Empfindung uns für belohnt halten.

Das wirklich unangenehme Mitgefühl ist wieder nicht ganz eine reine Empfindung, indem es allemal erst durch eine schnelle Vergleichung unseres Zustandes mit dem eines andern, also in einem, obgleich oft versteckten Bezug auf uns selbst entsteht.



Vorstellungen werden von uns auf ein anderes leidendes Object hingewandt, und in dieser durchs Mitleiden bewuͤrkten Zerstreuung unsrer Jdeen und dem Umtausch unsrer Gefuͤhle liegt vornehmlich jenes: solamen miseris socios habere malorum des alten lateinischen Dichters.

Man wende mir nicht ein, daß das Mitleiden selbst eine unangenehme Empfindung sey, und weil es sich auf die Jdee eines uns dargestellten leidenden Objects gruͤnde, dadurch unmoͤglich eine verminderte Vorstellung meines eigenen ungluͤcklichen Zustandes hervorgebracht werden koͤnne. Die Natur des Mitleidens besteht in einer gemischten Empfindung, so wie die meisten Affecten, die sich auf Gegenstaͤnde ausser uns beziehen; nehmlich in einem wirklich unangenehmen Mitgefuͤhl mit dem Ungluͤcklichen, indem wir uns in seine Stelle hineinsetzen, und uns fuͤr ihn interessiren; und in einem wehmuͤthigen Bewußtseyn dieser Empfindung und ihres moralischen Werths, wodurch wir gleichsam in jedem Moment der Empfindung uns fuͤr belohnt halten.

Das wirklich unangenehme Mitgefuͤhl ist wieder nicht ganz eine reine Empfindung, indem es allemal erst durch eine schnelle Vergleichung unseres Zustandes mit dem eines andern, also in einem, obgleich oft versteckten Bezug auf uns selbst entsteht.


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[79/0079] Vorstellungen werden von uns auf ein anderes leidendes Object hingewandt, und in dieser durchs Mitleiden bewuͤrkten Zerstreuung unsrer Jdeen und dem Umtausch unsrer Gefuͤhle liegt vornehmlich jenes: solamen miseris socios habere malorum des alten lateinischen Dichters. Man wende mir nicht ein, daß das Mitleiden selbst eine unangenehme Empfindung sey, und weil es sich auf die Jdee eines uns dargestellten leidenden Objects gruͤnde, dadurch unmoͤglich eine verminderte Vorstellung meines eigenen ungluͤcklichen Zustandes hervorgebracht werden koͤnne. Die Natur des Mitleidens besteht in einer gemischten Empfindung, so wie die meisten Affecten, die sich auf Gegenstaͤnde ausser uns beziehen; nehmlich in einem wirklich unangenehmen Mitgefuͤhl mit dem Ungluͤcklichen, indem wir uns in seine Stelle hineinsetzen, und uns fuͤr ihn interessiren; und in einem wehmuͤthigen Bewußtseyn dieser Empfindung und ihres moralischen Werths, wodurch wir gleichsam in jedem Moment der Empfindung uns fuͤr belohnt halten. Das wirklich unangenehme Mitgefuͤhl ist wieder nicht ganz eine reine Empfindung, indem es allemal erst durch eine schnelle Vergleichung unseres Zustandes mit dem eines andern, also in einem, obgleich oft versteckten Bezug auf uns selbst entsteht.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/79>, abgerufen am 21.11.2024.