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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

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" mein eigentlicher Wunsch. Auch standen mir hierbei die Schicksale und Zufälle meines Lebens, meine Nebenbuhler, die Beschaffenheit der Zeit, und meine Unwissenheit selbst im Wege. Es fehlten mir zu jenen Dingen alle Hülfsmittel; auch dadurch wurde ich von ihnen zurückgehalten, daß ich nach meiner damaligen astrologischen Kenntniß, wie es mir und andern schien, gewiß nicht das fünfundvierzigste Jahr meines Lebens erreichen würde. Unterdessen überließ ich mich füglich den Vergnügungen und der Nothwendigkeit, indem ich so recht zu leben dachte; vernachlässigte, wegen der schlechten Hoffnung, die wirklichen Dinge, verirrte mich in meinen Gedanken, und fehlte öfters in meinen Handlungen, bis ich endlich in meinem dreiundvierzigsten Jahre, welches das lezte meines Lebens seyn sollte, erst zu leben anfing."

"Jch ergab mich den Vergnügungen, wanderte in den schattigten Gegenden ausserhalb den Mauern der Stadt umher; schmauste zu Mittag, trieb darauf Musik, fischte neben den Haynen und denen der Stadt nahe liegenden Wäldern; studirte, schrieb, und kam dann Abends wieder nach Hause." Dieses fröliche Leben dauerte, nach Cardans eigenem Geständniß, sechs Jahre lang. Neue Leiden lagern sich um ihn her. Das Unglück seines ältesten Sohns fängt an, ihn vorzüglich zu drücken (welcher sein Weib mit Gift hatte vergeben wollen, und deswe-


" mein eigentlicher Wunsch. Auch standen mir hierbei die Schicksale und Zufaͤlle meines Lebens, meine Nebenbuhler, die Beschaffenheit der Zeit, und meine Unwissenheit selbst im Wege. Es fehlten mir zu jenen Dingen alle Huͤlfsmittel; auch dadurch wurde ich von ihnen zuruͤckgehalten, daß ich nach meiner damaligen astrologischen Kenntniß, wie es mir und andern schien, gewiß nicht das fuͤnfundvierzigste Jahr meines Lebens erreichen wuͤrde. Unterdessen uͤberließ ich mich fuͤglich den Vergnuͤgungen und der Nothwendigkeit, indem ich so recht zu leben dachte; vernachlaͤssigte, wegen der schlechten Hoffnung, die wirklichen Dinge, verirrte mich in meinen Gedanken, und fehlte oͤfters in meinen Handlungen, bis ich endlich in meinem dreiundvierzigsten Jahre, welches das lezte meines Lebens seyn sollte, erst zu leben anfing.«

»Jch ergab mich den Vergnuͤgungen, wanderte in den schattigten Gegenden ausserhalb den Mauern der Stadt umher; schmauste zu Mittag, trieb darauf Musik, fischte neben den Haynen und denen der Stadt nahe liegenden Waͤldern; studirte, schrieb, und kam dann Abends wieder nach Hause.« Dieses froͤliche Leben dauerte, nach Cardans eigenem Gestaͤndniß, sechs Jahre lang. Neue Leiden lagern sich um ihn her. Das Ungluͤck seines aͤltesten Sohns faͤngt an, ihn vorzuͤglich zu druͤcken (welcher sein Weib mit Gift hatte vergeben wollen, und deswe-

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[112/0114] " mein eigentlicher Wunsch. Auch standen mir hierbei die Schicksale und Zufaͤlle meines Lebens, meine Nebenbuhler, die Beschaffenheit der Zeit, und meine Unwissenheit selbst im Wege. Es fehlten mir zu jenen Dingen alle Huͤlfsmittel; auch dadurch wurde ich von ihnen zuruͤckgehalten, daß ich nach meiner damaligen astrologischen Kenntniß, wie es mir und andern schien, gewiß nicht das fuͤnfundvierzigste Jahr meines Lebens erreichen wuͤrde. Unterdessen uͤberließ ich mich fuͤglich den Vergnuͤgungen und der Nothwendigkeit, indem ich so recht zu leben dachte; vernachlaͤssigte, wegen der schlechten Hoffnung, die wirklichen Dinge, verirrte mich in meinen Gedanken, und fehlte oͤfters in meinen Handlungen, bis ich endlich in meinem dreiundvierzigsten Jahre, welches das lezte meines Lebens seyn sollte, erst zu leben anfing.« »Jch ergab mich den Vergnuͤgungen, wanderte in den schattigten Gegenden ausserhalb den Mauern der Stadt umher; schmauste zu Mittag, trieb darauf Musik, fischte neben den Haynen und denen der Stadt nahe liegenden Waͤldern; studirte, schrieb, und kam dann Abends wieder nach Hause.« Dieses froͤliche Leben dauerte, nach Cardans eigenem Gestaͤndniß, sechs Jahre lang. Neue Leiden lagern sich um ihn her. Das Ungluͤck seines aͤltesten Sohns faͤngt an, ihn vorzuͤglich zu druͤcken (welcher sein Weib mit Gift hatte vergeben wollen, und deswe-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/114>, abgerufen am 27.11.2024.