Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
Das Uebrige mag man am angeführten Orte selbst weiter nachlesen, sonderlich, was von dem Abscheiden der Patientinn und ihrem versteckten körperlichen Uebel gesagt wird, wovon der Arzt nie etwas bei ihren Lebenstagen erfahren hatte. Aber sollte ich nicht vielleicht eine dunkle Jdee von einem solchen Fehler gehabt haben können? fragt der Herr Verfasser. Von etwas, woran man noch nie einmal gedacht hat, kann man auch keine dunkle Jdee haben; aber ein gewisses bedenkliches Uebel konnte der Arzt wohl gemuthmaßt haben, und diese Muthmaßung war hinreichend, dem Herrn Verfasser des obigen Aufsatzes, wenn sonderlich eine hypochondrische Laune, und vielleicht ein ängstliches Temperament dazu kam, alle jene beschriebene Unruhe zu verursachen. Die Seele heftet sich in dergleichen Situationen an irgend eine starke Jdee an, die sie antrifft oder auch aufsucht, und sie wird von ihr in einem Strudel von unangenehmen Empfindungen umhergetrieben, wenn die Disposition des Körpers grade zu heitern Seelengefühlen verstimmt ist. Auffallend für die menschliche Ein-
Das Uebrige mag man am angefuͤhrten Orte selbst weiter nachlesen, sonderlich, was von dem Abscheiden der Patientinn und ihrem versteckten koͤrperlichen Uebel gesagt wird, wovon der Arzt nie etwas bei ihren Lebenstagen erfahren hatte. Aber sollte ich nicht vielleicht eine dunkle Jdee von einem solchen Fehler gehabt haben koͤnnen? fragt der Herr Verfasser. Von etwas, woran man noch nie einmal gedacht hat, kann man auch keine dunkle Jdee haben; aber ein gewisses bedenkliches Uebel konnte der Arzt wohl gemuthmaßt haben, und diese Muthmaßung war hinreichend, dem Herrn Verfasser des obigen Aufsatzes, wenn sonderlich eine hypochondrische Laune, und vielleicht ein aͤngstliches Temperament dazu kam, alle jene beschriebene Unruhe zu verursachen. Die Seele heftet sich in dergleichen Situationen an irgend eine starke Jdee an, die sie antrifft oder auch aufsucht, und sie wird von ihr in einem Strudel von unangenehmen Empfindungen umhergetrieben, wenn die Disposition des Koͤrpers grade zu heitern Seelengefuͤhlen verstimmt ist. Auffallend fuͤr die menschliche Ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0014" n="12"/><lb/><choice><corr>die</corr><sic><Kustos:> die</sic></choice> er besucht, suchen ihn auf alle Art zu zerstreuen; allein umsonst. Er hat keine Ruhe und Rast; reist wieder aus eben der Ursach zuruͤck, und geht uͤber <hi rendition="#b">Rinteln.</hi> Hier erfaͤhrt er,<hi rendition="#b">daß seine Freundinn wirklich gestorben sey,</hi> u.s.w.</p> <p>Das Uebrige mag man am angefuͤhrten Orte selbst weiter nachlesen, sonderlich, was von dem Abscheiden der Patientinn und ihrem versteckten koͤrperlichen Uebel gesagt wird, wovon der Arzt nie etwas bei ihren Lebenstagen erfahren hatte.</p> <p>Aber sollte ich nicht vielleicht eine dunkle Jdee von einem solchen Fehler gehabt haben koͤnnen? fragt der Herr Verfasser. Von etwas, woran man noch nie einmal gedacht hat, kann man auch keine dunkle Jdee haben; aber ein gewisses bedenkliches Uebel konnte der Arzt wohl <hi rendition="#b">gemuthmaßt</hi> haben, und diese Muthmaßung war hinreichend, dem Herrn Verfasser des obigen Aufsatzes, wenn sonderlich eine hypochondrische Laune, und vielleicht ein aͤngstliches Temperament dazu kam, alle jene beschriebene Unruhe zu verursachen. Die Seele heftet sich in dergleichen Situationen an irgend eine starke Jdee an, die sie antrifft oder auch aufsucht, und sie wird von ihr in einem Strudel von unangenehmen Empfindungen umhergetrieben, wenn die Disposition des Koͤrpers grade zu heitern Seelengefuͤhlen verstimmt ist. Auffallend fuͤr die menschliche Ein-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0014]
die er besucht, suchen ihn auf alle Art zu zerstreuen; allein umsonst. Er hat keine Ruhe und Rast; reist wieder aus eben der Ursach zuruͤck, und geht uͤber Rinteln. Hier erfaͤhrt er,daß seine Freundinn wirklich gestorben sey, u.s.w.
Das Uebrige mag man am angefuͤhrten Orte selbst weiter nachlesen, sonderlich, was von dem Abscheiden der Patientinn und ihrem versteckten koͤrperlichen Uebel gesagt wird, wovon der Arzt nie etwas bei ihren Lebenstagen erfahren hatte.
Aber sollte ich nicht vielleicht eine dunkle Jdee von einem solchen Fehler gehabt haben koͤnnen? fragt der Herr Verfasser. Von etwas, woran man noch nie einmal gedacht hat, kann man auch keine dunkle Jdee haben; aber ein gewisses bedenkliches Uebel konnte der Arzt wohl gemuthmaßt haben, und diese Muthmaßung war hinreichend, dem Herrn Verfasser des obigen Aufsatzes, wenn sonderlich eine hypochondrische Laune, und vielleicht ein aͤngstliches Temperament dazu kam, alle jene beschriebene Unruhe zu verursachen. Die Seele heftet sich in dergleichen Situationen an irgend eine starke Jdee an, die sie antrifft oder auch aufsucht, und sie wird von ihr in einem Strudel von unangenehmen Empfindungen umhergetrieben, wenn die Disposition des Koͤrpers grade zu heitern Seelengefuͤhlen verstimmt ist. Auffallend fuͤr die menschliche Ein-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/14>, abgerufen am 16.07.2024. |