Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.Herr Doctor Wedekind erzählt im 2ten Stück des 3ten Bandes der Seelenkunde S. 30 ff., unter obigem Titel ein dergleichen Beispiel von der Gewalt dunkler Jdeen, das, es mag nun erklärt werden, wie man will, sehr lesenswürdig bleibt. Der Herr Doctor Wedekind sieht sich genöthigt zu verreisen. Er muß seine Patienten einem andern anvertrauen, worunter ihm eine Predigerfrau grade nicht am gefährlichsten zu seyn scheint, aber ihm doch, ohne daß er sich's angeben kann, was ihm so bedenklich an ihr vorkommt, sehr im Sinne liegt. Er reist dennoch ab, und ist kaum eine halbe Stunde von seinem Wohnorte Diepholz entfernt, als er sich wegen seiner Reise die größten Vorwürfe zu machen anfängt, weil er sich den Tod seiner Patientinn und Freundinn unablässig vorstellt. "So war ich nun im heftigsten Seelenkampfe beinah zwei Meilen weggeritten, sagt er, als sich meiner Brust eine so große Beklemmung bemächtigte, und mein Herz so heftig zu schlagen anfing, daß ich nicht weiter reiten konnte. Fast unwillkürlich wandte ich mein Pferd um, und jagte, so geschwind es laufen konnte, nach Diepholz zurück." Er sieht seine kranke Freundinn, um welcher willen er zurückgekehrt ist, am Fenster stehen, und ihr war's nicht möglich, wegen seiner Rückkehr sich des Lachens zu enthalten. - Nun reist er wieder davon, aber seine vorige Unruhe beginnt von neuem. Seine Freunde, Herr Doctor Wedekind erzaͤhlt im 2ten Stuͤck des 3ten Bandes der Seelenkunde S. 30 ff., unter obigem Titel ein dergleichen Beispiel von der Gewalt dunkler Jdeen, das, es mag nun erklaͤrt werden, wie man will, sehr lesenswuͤrdig bleibt. Der Herr Doctor Wedekind sieht sich genoͤthigt zu verreisen. Er muß seine Patienten einem andern anvertrauen, worunter ihm eine Predigerfrau grade nicht am gefaͤhrlichsten zu seyn scheint, aber ihm doch, ohne daß er sich's angeben kann, was ihm so bedenklich an ihr vorkommt, sehr im Sinne liegt. Er reist dennoch ab, und ist kaum eine halbe Stunde von seinem Wohnorte Diepholz entfernt, als er sich wegen seiner Reise die groͤßten Vorwuͤrfe zu machen anfaͤngt, weil er sich den Tod seiner Patientinn und Freundinn unablaͤssig vorstellt. »So war ich nun im heftigsten Seelenkampfe beinah zwei Meilen weggeritten, sagt er, als sich meiner Brust eine so große Beklemmung bemaͤchtigte, und mein Herz so heftig zu schlagen anfing, daß ich nicht weiter reiten konnte. Fast unwillkuͤrlich wandte ich mein Pferd um, und jagte, so geschwind es laufen konnte, nach Diepholz zuruͤck.« Er sieht seine kranke Freundinn, um welcher willen er zuruͤckgekehrt ist, am Fenster stehen, und ihr war's nicht moͤglich, wegen seiner Ruͤckkehr sich des Lachens zu enthalten. – Nun reist er wieder davon, aber seine vorige Unruhe beginnt von neuem. Seine Freunde, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0013" n="11"/><lb/> <p>Herr Doctor <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0078"><note type="editorial">Wedekind, Georg Christian Gottlieb Freiherr von</note>Wedekind</persName></hi> erzaͤhlt im 2ten Stuͤck des 3ten Bandes der Seelenkunde S. 30 ff., unter obigem Titel ein dergleichen Beispiel von der Gewalt dunkler Jdeen, das, es mag nun erklaͤrt werden, wie man will, sehr lesenswuͤrdig bleibt. Der Herr Doctor <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0078"><note type="editorial">Wedekind, Georg Christian Gottlieb Freiherr von</note>Wedekind</persName></hi> sieht sich genoͤthigt zu verreisen. Er muß seine Patienten einem andern anvertrauen, worunter ihm eine Predigerfrau grade nicht am gefaͤhrlichsten zu seyn scheint, aber ihm doch, ohne daß er sich's angeben kann, was ihm so bedenklich an ihr vorkommt, sehr im Sinne liegt. Er reist dennoch ab, und ist kaum eine halbe Stunde von seinem Wohnorte <hi rendition="#b">Diepholz</hi> entfernt, als er sich wegen seiner Reise die groͤßten Vorwuͤrfe zu machen anfaͤngt, weil er sich den Tod seiner Patientinn und Freundinn unablaͤssig vorstellt. »So war ich nun im heftigsten Seelenkampfe beinah zwei Meilen weggeritten, sagt er, als sich meiner Brust eine so große Beklemmung bemaͤchtigte, und mein Herz so heftig zu schlagen anfing, daß ich nicht weiter reiten konnte. Fast unwillkuͤrlich wandte ich mein Pferd um, und jagte, so geschwind es laufen konnte, nach <hi rendition="#b">Diepholz</hi> zuruͤck.« Er sieht seine kranke Freundinn, um welcher willen er zuruͤckgekehrt ist, am Fenster stehen, und ihr war's nicht moͤglich, wegen seiner Ruͤckkehr sich des Lachens zu enthalten. –</p> <p>Nun reist er wieder davon, aber seine vorige Unruhe beginnt von neuem. Seine Freunde,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0013]
Herr Doctor Wedekind erzaͤhlt im 2ten Stuͤck des 3ten Bandes der Seelenkunde S. 30 ff., unter obigem Titel ein dergleichen Beispiel von der Gewalt dunkler Jdeen, das, es mag nun erklaͤrt werden, wie man will, sehr lesenswuͤrdig bleibt. Der Herr Doctor Wedekind sieht sich genoͤthigt zu verreisen. Er muß seine Patienten einem andern anvertrauen, worunter ihm eine Predigerfrau grade nicht am gefaͤhrlichsten zu seyn scheint, aber ihm doch, ohne daß er sich's angeben kann, was ihm so bedenklich an ihr vorkommt, sehr im Sinne liegt. Er reist dennoch ab, und ist kaum eine halbe Stunde von seinem Wohnorte Diepholz entfernt, als er sich wegen seiner Reise die groͤßten Vorwuͤrfe zu machen anfaͤngt, weil er sich den Tod seiner Patientinn und Freundinn unablaͤssig vorstellt. »So war ich nun im heftigsten Seelenkampfe beinah zwei Meilen weggeritten, sagt er, als sich meiner Brust eine so große Beklemmung bemaͤchtigte, und mein Herz so heftig zu schlagen anfing, daß ich nicht weiter reiten konnte. Fast unwillkuͤrlich wandte ich mein Pferd um, und jagte, so geschwind es laufen konnte, nach Diepholz zuruͤck.« Er sieht seine kranke Freundinn, um welcher willen er zuruͤckgekehrt ist, am Fenster stehen, und ihr war's nicht moͤglich, wegen seiner Ruͤckkehr sich des Lachens zu enthalten. –
Nun reist er wieder davon, aber seine vorige Unruhe beginnt von neuem. Seine Freunde,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |