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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

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Zur Seelenkrankheitskunde.
1. Volksaberglauben.

Erlauben Sie mir, daß ich Jhnen eine Anzeige von verschiedenen Arten des Volksaberglaubens, nebst meinen Bemerkungen darüber, zuschicken darf. Vielleicht können Sie dieselbe für Jhr Magazin zur Erfahrungsseelenkunde nützen. Fast allgemein in Ober- und Niedersachsen habe ich bemerkt, daß man mit den neugebornen Kindern einen sonderbaren Aberglauben treibt; vornehmlich aber so lange, als sie noch nicht getauft sind. Wenn gleich der gemeine Mann hie und da nicht mehr an eine unmittelbare Besitzung des Teufels bei seinen Kindern glaubt, und auch an mehrern Oertern vernünftige Geistliche den Leuten diese entsezliche Meinung aus den Köpfen gepredigt haben: so hängt doch immer noch ihre Phantasie an Hexen und unsichtbaren bösen Geistern, die den ungetauften Kindern Schaden zuzufügen suchen. Man eilt daher nicht nur, die Kinder bald aus der Gewalt der unsichtbaren Geister durch die Taufe zu befreien; sondern die Hebammen, - eine überhaupt sehr abergläubige Menschengattung - suchen auch durch ein fleis-


Zur Seelenkrankheitskunde.
1. Volksaberglauben.

Erlauben Sie mir, daß ich Jhnen eine Anzeige von verschiedenen Arten des Volksaberglaubens, nebst meinen Bemerkungen daruͤber, zuschicken darf. Vielleicht koͤnnen Sie dieselbe fuͤr Jhr Magazin zur Erfahrungsseelenkunde nuͤtzen. Fast allgemein in Ober- und Niedersachsen habe ich bemerkt, daß man mit den neugebornen Kindern einen sonderbaren Aberglauben treibt; vornehmlich aber so lange, als sie noch nicht getauft sind. Wenn gleich der gemeine Mann hie und da nicht mehr an eine unmittelbare Besitzung des Teufels bei seinen Kindern glaubt, und auch an mehrern Oertern vernuͤnftige Geistliche den Leuten diese entsezliche Meinung aus den Koͤpfen gepredigt haben: so haͤngt doch immer noch ihre Phantasie an Hexen und unsichtbaren boͤsen Geistern, die den ungetauften Kindern Schaden zuzufuͤgen suchen. Man eilt daher nicht nur, die Kinder bald aus der Gewalt der unsichtbaren Geister durch die Taufe zu befreien; sondern die Hebammen, – eine uͤberhaupt sehr aberglaͤubige Menschengattung – suchen auch durch ein fleis-

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[17/0019] Zur Seelenkrankheitskunde. 1. Volksaberglauben. Erlauben Sie mir, daß ich Jhnen eine Anzeige von verschiedenen Arten des Volksaberglaubens, nebst meinen Bemerkungen daruͤber, zuschicken darf. Vielleicht koͤnnen Sie dieselbe fuͤr Jhr Magazin zur Erfahrungsseelenkunde nuͤtzen. Fast allgemein in Ober- und Niedersachsen habe ich bemerkt, daß man mit den neugebornen Kindern einen sonderbaren Aberglauben treibt; vornehmlich aber so lange, als sie noch nicht getauft sind. Wenn gleich der gemeine Mann hie und da nicht mehr an eine unmittelbare Besitzung des Teufels bei seinen Kindern glaubt, und auch an mehrern Oertern vernuͤnftige Geistliche den Leuten diese entsezliche Meinung aus den Koͤpfen gepredigt haben: so haͤngt doch immer noch ihre Phantasie an Hexen und unsichtbaren boͤsen Geistern, die den ungetauften Kindern Schaden zuzufuͤgen suchen. Man eilt daher nicht nur, die Kinder bald aus der Gewalt der unsichtbaren Geister durch die Taufe zu befreien; sondern die Hebammen, – eine uͤberhaupt sehr aberglaͤubige Menschengattung – suchen auch durch ein fleis-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/19>, abgerufen am 21.11.2024.