siges Kreuzmachen das ungetaufte Kind vor allerlei zu befürchtenden Behexungen zu sichern. Gemeiniglich geschieht dieses Kreuzmachen, das offenbar noch ein albernes Ueberbleibsel aus der katholischen Kirche ist, beim Einwickeln und Schlafenlegen der Kinder, wobei die Hebammen noch ein Sprüchelchen, z.B. das walt Gott der Vater u.s.w. herzumurmeln pflegen. Jch habe einige diese Ceremonie mit der pünktlichsten Genauigkeit beobachten gesehen; eine schalt mich auch sogar einmal in allem Ernst aus, indem ich beim Hereintragen eines neugebornen Kindes meine laute Freude über dasselbe bezeugte, ohne ein "Gott gesegne dich!"*) dazuzusetzen. Das einfältige Weib glaubte, daß man, ohne einen dergleichen Wunsch, ein neugebornes Kind leicht beschreien**) könne; eine Meinung, welcher der gemeine Mann noch sehr auch in Absicht seines Viehes anhängt: man beschreiet seine Kühe, seine Pferde, wenn man sie lobt, und verursacht dadurch, daß sie weniger gedeihen können.
Ausser jenem Aberglauben des Kreuzmachens***) über neugeborne Kinder, hält der gemeine Mann
*) oder: Gott behüt's!
**) Jn Niedersachsen nennt man es berufen.
***) Welches nicht eigentlich mit den Fingern geschieht, sondern, indem man die Hände kreuzweis übereinander schlägt.
siges Kreuzmachen das ungetaufte Kind vor allerlei zu befuͤrchtenden Behexungen zu sichern. Gemeiniglich geschieht dieses Kreuzmachen, das offenbar noch ein albernes Ueberbleibsel aus der katholischen Kirche ist, beim Einwickeln und Schlafenlegen der Kinder, wobei die Hebammen noch ein Spruͤchelchen, z.B. das walt Gott der Vater u.s.w. herzumurmeln pflegen. Jch habe einige diese Ceremonie mit der puͤnktlichsten Genauigkeit beobachten gesehen; eine schalt mich auch sogar einmal in allem Ernst aus, indem ich beim Hereintragen eines neugebornen Kindes meine laute Freude uͤber dasselbe bezeugte, ohne ein »Gott gesegne dich!«*) dazuzusetzen. Das einfaͤltige Weib glaubte, daß man, ohne einen dergleichen Wunsch, ein neugebornes Kind leicht beschreien**) koͤnne; eine Meinung, welcher der gemeine Mann noch sehr auch in Absicht seines Viehes anhaͤngt: man beschreiet seine Kuͤhe, seine Pferde, wenn man sie lobt, und verursacht dadurch, daß sie weniger gedeihen koͤnnen.
Ausser jenem Aberglauben des Kreuzmachens***) uͤber neugeborne Kinder, haͤlt der gemeine Mann
*) oder: Gott behuͤt's!
**) Jn Niedersachsen nennt man es berufen.
***) Welches nicht eigentlich mit den Fingern geschieht, sondern, indem man die Haͤnde kreuzweis uͤbereinander schlaͤgt.
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siges Kreuzmachen das ungetaufte Kind vor allerlei zu befuͤrchtenden Behexungen zu sichern. Gemeiniglich geschieht dieses Kreuzmachen, das offenbar noch ein albernes Ueberbleibsel aus der katholischen Kirche ist, beim Einwickeln und Schlafenlegen der Kinder, wobei die Hebammen noch ein Spruͤchelchen, z.B. <hirendition="#b">das walt Gott der Vater</hi> u.s.w. herzumurmeln pflegen. Jch habe einige diese Ceremonie mit der puͤnktlichsten Genauigkeit beobachten gesehen; eine schalt mich auch sogar einmal in allem Ernst aus, indem ich beim Hereintragen eines neugebornen Kindes meine laute Freude uͤber dasselbe bezeugte, ohne ein <hirendition="#b">»Gott gesegne dich!«</hi>*)<noteplace="foot"><p>*) oder: Gott behuͤt's!</p></note> dazuzusetzen. Das einfaͤltige Weib glaubte, daß man, ohne einen dergleichen Wunsch, ein neugebornes Kind leicht <hirendition="#b">beschreien</hi>**)<noteplace="foot"><p>**) Jn Niedersachsen nennt man es <hirendition="#b">berufen</hi>.</p></note> koͤnne; eine Meinung, welcher der gemeine Mann noch sehr auch in Absicht seines Viehes anhaͤngt: man <hirendition="#b">beschreiet</hi> seine Kuͤhe, seine Pferde, wenn man sie lobt, und verursacht dadurch, daß sie weniger gedeihen koͤnnen.</p><p>Ausser jenem Aberglauben des Kreuzmachens***)<noteplace="foot"><p>***) Welches nicht eigentlich mit den Fingern geschieht, sondern, indem man die Haͤnde kreuzweis uͤbereinander schlaͤgt.</p></note> uͤber neugeborne Kinder, haͤlt der gemeine Mann<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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siges Kreuzmachen das ungetaufte Kind vor allerlei zu befuͤrchtenden Behexungen zu sichern. Gemeiniglich geschieht dieses Kreuzmachen, das offenbar noch ein albernes Ueberbleibsel aus der katholischen Kirche ist, beim Einwickeln und Schlafenlegen der Kinder, wobei die Hebammen noch ein Spruͤchelchen, z.B. das walt Gott der Vater u.s.w. herzumurmeln pflegen. Jch habe einige diese Ceremonie mit der puͤnktlichsten Genauigkeit beobachten gesehen; eine schalt mich auch sogar einmal in allem Ernst aus, indem ich beim Hereintragen eines neugebornen Kindes meine laute Freude uͤber dasselbe bezeugte, ohne ein »Gott gesegne dich!«*) dazuzusetzen. Das einfaͤltige Weib glaubte, daß man, ohne einen dergleichen Wunsch, ein neugebornes Kind leicht beschreien**) koͤnne; eine Meinung, welcher der gemeine Mann noch sehr auch in Absicht seines Viehes anhaͤngt: man beschreiet seine Kuͤhe, seine Pferde, wenn man sie lobt, und verursacht dadurch, daß sie weniger gedeihen koͤnnen.
Ausser jenem Aberglauben des Kreuzmachens***) uͤber neugeborne Kinder, haͤlt der gemeine Mann
*) oder: Gott behuͤt's!
**) Jn Niedersachsen nennt man es berufen.
***) Welches nicht eigentlich mit den Fingern geschieht, sondern, indem man die Haͤnde kreuzweis uͤbereinander schlaͤgt.
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/20>, abgerufen am 16.07.2024.
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