Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.Zur Seelenheilkunde. Die Beiträge zur Seelenheilkunde sind bisher immer noch die wenigsten gewesen, obgleich grade dieses Feld in einem Magazin der Erfahrungsseelenkunde am meisten bearbeitet zu werden verdiente. Jeder Mensch liegt an irgend einer Jdee, an irgend einer Lieblingsgrille krank, und es ist uns unendlich viel daran gelegen, sonderlich bei der Erziehung, zu wissen, wie dieser oder jener von jener Krankheit geheilt wurde, durch welchen Jdeenumtausch seine Vorstellungskraft eine bessere Richtung bekam, was Zeit, Umstände, Umgang, Lectüre dazu beitrugen, und wie überhaupt der menschliche Geist nicht nur vor Jrrthümern in frühern Jahren bewahrt, sondern auch in spätern, sonderlich wenn jene Jrrthümer einen großen Einfluß auf's practische Leben hatten, davon zurück gebracht werden konnte. Die Curen der Seele haben viel Aehnlichkeit mit der Heilung körperlicher Krankheiten. Jn beiden Fällen muß der Patient oft Arzeneien gebrauchen, die sehr bitter sind, wenn sie eine gute Würkung haben sollen. Am bittersten kommen uns gemeiniglich die Heilmittel gegen die Krankheiten der Zur Seelenheilkunde. Die Beitraͤge zur Seelenheilkunde sind bisher immer noch die wenigsten gewesen, obgleich grade dieses Feld in einem Magazin der Erfahrungsseelenkunde am meisten bearbeitet zu werden verdiente. Jeder Mensch liegt an irgend einer Jdee, an irgend einer Lieblingsgrille krank, und es ist uns unendlich viel daran gelegen, sonderlich bei der Erziehung, zu wissen, wie dieser oder jener von jener Krankheit geheilt wurde, durch welchen Jdeenumtausch seine Vorstellungskraft eine bessere Richtung bekam, was Zeit, Umstaͤnde, Umgang, Lectuͤre dazu beitrugen, und wie uͤberhaupt der menschliche Geist nicht nur vor Jrrthuͤmern in fruͤhern Jahren bewahrt, sondern auch in spaͤtern, sonderlich wenn jene Jrrthuͤmer einen großen Einfluß auf's practische Leben hatten, davon zuruͤck gebracht werden konnte. Die Curen der Seele haben viel Aehnlichkeit mit der Heilung koͤrperlicher Krankheiten. Jn beiden Faͤllen muß der Patient oft Arzeneien gebrauchen, die sehr bitter sind, wenn sie eine gute Wuͤrkung haben sollen. Am bittersten kommen uns gemeiniglich die Heilmittel gegen die Krankheiten der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0050" n="50"/><lb/><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head>Zur Seelenheilkunde.</head><lb/> <note type="editorial">[Zur Seelenheilkunde]</note> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName> </bibl> </note> <p>Die Beitraͤge zur Seelenheilkunde sind bisher immer noch die wenigsten gewesen, obgleich grade dieses Feld in einem Magazin der Erfahrungsseelenkunde am meisten bearbeitet zu werden verdiente. Jeder Mensch liegt an irgend einer Jdee, an irgend einer Lieblingsgrille krank, und es ist uns unendlich viel daran gelegen, sonderlich bei der Erziehung, zu wissen, wie dieser oder jener von jener Krankheit geheilt wurde, durch welchen Jdeenumtausch seine Vorstellungskraft eine bessere Richtung bekam, was Zeit, Umstaͤnde, Umgang, Lectuͤre dazu beitrugen, und <hi rendition="#b">wie</hi> uͤberhaupt der menschliche Geist nicht nur vor Jrrthuͤmern in fruͤhern Jahren bewahrt, sondern auch in spaͤtern, sonderlich wenn jene Jrrthuͤmer einen großen Einfluß auf's practische Leben hatten, davon zuruͤck gebracht werden konnte.</p> <p>Die Curen der Seele haben viel Aehnlichkeit mit der Heilung koͤrperlicher Krankheiten. Jn beiden Faͤllen muß der Patient oft Arzeneien gebrauchen, die sehr bitter sind, wenn sie eine gute Wuͤrkung haben sollen. Am bittersten kommen uns gemeiniglich die Heilmittel gegen die Krankheiten <hi rendition="#b">der<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0050]
Zur Seelenheilkunde.
Die Beitraͤge zur Seelenheilkunde sind bisher immer noch die wenigsten gewesen, obgleich grade dieses Feld in einem Magazin der Erfahrungsseelenkunde am meisten bearbeitet zu werden verdiente. Jeder Mensch liegt an irgend einer Jdee, an irgend einer Lieblingsgrille krank, und es ist uns unendlich viel daran gelegen, sonderlich bei der Erziehung, zu wissen, wie dieser oder jener von jener Krankheit geheilt wurde, durch welchen Jdeenumtausch seine Vorstellungskraft eine bessere Richtung bekam, was Zeit, Umstaͤnde, Umgang, Lectuͤre dazu beitrugen, und wie uͤberhaupt der menschliche Geist nicht nur vor Jrrthuͤmern in fruͤhern Jahren bewahrt, sondern auch in spaͤtern, sonderlich wenn jene Jrrthuͤmer einen großen Einfluß auf's practische Leben hatten, davon zuruͤck gebracht werden konnte.
Die Curen der Seele haben viel Aehnlichkeit mit der Heilung koͤrperlicher Krankheiten. Jn beiden Faͤllen muß der Patient oft Arzeneien gebrauchen, die sehr bitter sind, wenn sie eine gute Wuͤrkung haben sollen. Am bittersten kommen uns gemeiniglich die Heilmittel gegen die Krankheiten der
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