Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0102" n="102"/><lb/> du mich nicht, mein Sohn? — ich bin gekommen, dich mit nach Hause zu nehmen, wo deine Mutter mit Schmerzen auf dich harret. O sieh mich nicht an mit diesem durchbohrenden Blik. Liebster Franz, kennst du deinen Vater nicht mehr? —« Bey diesen Worten verbarg der Juͤngling sein Haupt ins Kissen, und weinte und jammerte, daß dem Vater die Worte versagten. Er warf sich lautweinend auf seinen Sohn: da hiengen sie lange in einer sprachlosen Gruppe, daß alle Anwesende sich wegwenden mußten. — Endlich faßte sich der Vater. »Sprich, theures Kind, willst du nicht mit mir nach Hause? dort soll dich deine Mutter pflegen, dort will ich dich auf meinen Haͤnden tragen. So sieh mich doch an! Hoͤrst du deinen Vater nicht?« Jezt wandte Franz sein traͤnendes Antlitz, kuͤßte seinen Vater, winkte, und lispelte ihm ins Ohr: <choice><corr>»Ja</corr><sic>Ja</sic></choice>, ich will mit ihm. Die Verraͤther dort glauben, ich habe den Verstand verlohren. Jst das nicht eine hoͤllische Luͤge? — Lebt meine Mutter noch? — Jch will ihm helfen sein Feld bauen Vater. — Seyd ihr noch nicht fort, ihr Hunde? — — Jch will in seinem Weinberg arbeiten. — — Was, noch immer hier, Verraͤther?« — Er fuhr schaͤumend, und zaͤhneknirschend vom Lager empor, und schlug seinen Vater, der ihn zu beruhigen suchte, so wuͤthend ins Angesicht, daß ihm das Blut stroͤhmend uͤber die Wangen floß. Man riß den Alten hinweg, man<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0102]
du mich nicht, mein Sohn? — ich bin gekommen, dich mit nach Hause zu nehmen, wo deine Mutter mit Schmerzen auf dich harret. O sieh mich nicht an mit diesem durchbohrenden Blik. Liebster Franz, kennst du deinen Vater nicht mehr? —« Bey diesen Worten verbarg der Juͤngling sein Haupt ins Kissen, und weinte und jammerte, daß dem Vater die Worte versagten. Er warf sich lautweinend auf seinen Sohn: da hiengen sie lange in einer sprachlosen Gruppe, daß alle Anwesende sich wegwenden mußten. — Endlich faßte sich der Vater. »Sprich, theures Kind, willst du nicht mit mir nach Hause? dort soll dich deine Mutter pflegen, dort will ich dich auf meinen Haͤnden tragen. So sieh mich doch an! Hoͤrst du deinen Vater nicht?« Jezt wandte Franz sein traͤnendes Antlitz, kuͤßte seinen Vater, winkte, und lispelte ihm ins Ohr: »Ja, ich will mit ihm. Die Verraͤther dort glauben, ich habe den Verstand verlohren. Jst das nicht eine hoͤllische Luͤge? — Lebt meine Mutter noch? — Jch will ihm helfen sein Feld bauen Vater. — Seyd ihr noch nicht fort, ihr Hunde? — — Jch will in seinem Weinberg arbeiten. — — Was, noch immer hier, Verraͤther?« — Er fuhr schaͤumend, und zaͤhneknirschend vom Lager empor, und schlug seinen Vater, der ihn zu beruhigen suchte, so wuͤthend ins Angesicht, daß ihm das Blut stroͤhmend uͤber die Wangen floß. Man riß den Alten hinweg, man
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