Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
Denken Sie sich die Freude des Vaters, als er seinen schon hingegebenen einzigen Sohn in diesem Zustande sah, und hörte, und umschlang und küßte. Auf sprang er im Taumel der Wonne, kriegte mich am Kopf und herzt' und küßte mich, daß mir die Ohren gellten. "Jn Gold laß ich ihn ein-
Denken Sie sich die Freude des Vaters, als er seinen schon hingegebenen einzigen Sohn in diesem Zustande sah, und hoͤrte, und umschlang und kuͤßte. Auf sprang er im Taumel der Wonne, kriegte mich am Kopf und herzt' und kuͤßte mich, daß mir die Ohren gellten. »Jn Gold laß ich ihn ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0110" n="110"/><lb/> nunmehro gaͤnzlich hergestellt sey — Um ihn eben in dieser Meynung nicht zu stoͤren, ließ ich ihn im <hi rendition="#b">zweyten Monat</hi> seines Hierseyns aus dem Hause des Jnspectors unvermerkt in mein eignes bringen. Jm dritten, den er meist im Umgang meiner Familie, und anderer Freunde zubrachte, aͤußerte er keine Spur seines irren Zustandes mehr. Er speißte an meinem Tische, wo ich ihn aber kein Haar von seiner Kranken-Diaͤt abgehen ließ; er scherzte; er las uns Aufsaͤtze vor, die er selbst verfertiget hatte; er studirte, und schrieb des Vormittags; Nachmittags nahm ich ihn zu Spaziergaͤngen mit. Kurz der Juͤngling war ganz wieder hergestellt, seine Seelenkraͤfte spielten wieder in harmonischen Akkorden zusammen, seine entfesselte Thaͤtigkeit betrat ihre Laufbahn wieder, dem enteisten Bachstrom gleich, welcher zum erstenmal wieder im Stral des Fruͤhlings durch die Wiese frolokt; — Er fuͤhlte Kraft und Drang zu hoͤheren Berufsgeschaͤften in sich. Sein Wuͤrkungskreis ward ihm hier zu enge. Er hatte den Plan, die Universitaͤt noch ein paar Jahre zu besuchen, und sich zu einem dasigen Lehrer zu bilden.</p> <p>Denken <choice><corr>Sie</corr><sic>sie</sic></choice> sich die Freude des Vaters, als er seinen schon hingegebenen einzigen Sohn in diesem Zustande sah, und hoͤrte, und umschlang und kuͤßte. Auf sprang er im Taumel der Wonne, kriegte mich am Kopf und herzt' und kuͤßte mich, daß mir die Ohren gellten. »Jn Gold laß ich ihn ein-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0110]
nunmehro gaͤnzlich hergestellt sey — Um ihn eben in dieser Meynung nicht zu stoͤren, ließ ich ihn im zweyten Monat seines Hierseyns aus dem Hause des Jnspectors unvermerkt in mein eignes bringen. Jm dritten, den er meist im Umgang meiner Familie, und anderer Freunde zubrachte, aͤußerte er keine Spur seines irren Zustandes mehr. Er speißte an meinem Tische, wo ich ihn aber kein Haar von seiner Kranken-Diaͤt abgehen ließ; er scherzte; er las uns Aufsaͤtze vor, die er selbst verfertiget hatte; er studirte, und schrieb des Vormittags; Nachmittags nahm ich ihn zu Spaziergaͤngen mit. Kurz der Juͤngling war ganz wieder hergestellt, seine Seelenkraͤfte spielten wieder in harmonischen Akkorden zusammen, seine entfesselte Thaͤtigkeit betrat ihre Laufbahn wieder, dem enteisten Bachstrom gleich, welcher zum erstenmal wieder im Stral des Fruͤhlings durch die Wiese frolokt; — Er fuͤhlte Kraft und Drang zu hoͤheren Berufsgeschaͤften in sich. Sein Wuͤrkungskreis ward ihm hier zu enge. Er hatte den Plan, die Universitaͤt noch ein paar Jahre zu besuchen, und sich zu einem dasigen Lehrer zu bilden.
Denken Sie sich die Freude des Vaters, als er seinen schon hingegebenen einzigen Sohn in diesem Zustande sah, und hoͤrte, und umschlang und kuͤßte. Auf sprang er im Taumel der Wonne, kriegte mich am Kopf und herzt' und kuͤßte mich, daß mir die Ohren gellten. »Jn Gold laß ich ihn ein-
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