Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0118" n="118"/><lb/> vom Hause meines Vaters ins Tollhaus transportirtet, und mich da schmachten ließet bey Wasser und Brod unter heulenden Verruͤkten? — Doch die Zeit ist voruͤber. Die Gegenwart lacht um so schoͤner, die Freyheit schmekt um so koͤstlicher, wenn man an das Elend der Vergangenheit zuruͤkdenkt. Hunger ist die beste Wuͤrze der Speise. — Jch habe da druͤben doch auch mitunter manche seelige Stunde genossen. Wenn ich des <choice><corr>Morgens</corr><sic>Moegens</sic></choice> zum Fenster hinaus blikte, und die Lerche hoͤrte, wenn ich Berg und Thal, und Stadt und Feld, und Bach und Huͤgel, und den arbeitenden Landmann im Schimmer der Morgenroͤthe sah! — Wenn ich die Sonne hinterm Rebenberg dort heraufzittern sah, und an die Millionen dachte denen sie leuchtet! O, da war ich mitten in meinem Jammer so gluͤklich. Auch machte mir der Jnspektor, mein Freund, viel Freude, wenn er sein <choice><corr>Abendbrod</corr><sic>Abenbrod</sic></choice> auf mein Zimmer bringen ließ, sich traulich neben mich aufs Bette sezte, und mir von Schlachten und Thaten erzaͤhlte, die er sah, und mitschlug. O es ist ein kreuzbraver Mann, der Jnspektor! Wie lange hab ich den ehrlichen Alten nicht mehr gesehen. — Jch denke Vater wir besuchen ihn jezt auf ein halbes Stuͤndchen; dann will ich ihm auch sofort das traurige Zimmer zeigen, wo sein Franz so lange in toder, traͤhnenwerther Einsamkeit saß. Nicht wahr Doktor, — Sie gehen mit?</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0118]
vom Hause meines Vaters ins Tollhaus transportirtet, und mich da schmachten ließet bey Wasser und Brod unter heulenden Verruͤkten? — Doch die Zeit ist voruͤber. Die Gegenwart lacht um so schoͤner, die Freyheit schmekt um so koͤstlicher, wenn man an das Elend der Vergangenheit zuruͤkdenkt. Hunger ist die beste Wuͤrze der Speise. — Jch habe da druͤben doch auch mitunter manche seelige Stunde genossen. Wenn ich des Morgens zum Fenster hinaus blikte, und die Lerche hoͤrte, wenn ich Berg und Thal, und Stadt und Feld, und Bach und Huͤgel, und den arbeitenden Landmann im Schimmer der Morgenroͤthe sah! — Wenn ich die Sonne hinterm Rebenberg dort heraufzittern sah, und an die Millionen dachte denen sie leuchtet! O, da war ich mitten in meinem Jammer so gluͤklich. Auch machte mir der Jnspektor, mein Freund, viel Freude, wenn er sein Abendbrod auf mein Zimmer bringen ließ, sich traulich neben mich aufs Bette sezte, und mir von Schlachten und Thaten erzaͤhlte, die er sah, und mitschlug. O es ist ein kreuzbraver Mann, der Jnspektor! Wie lange hab ich den ehrlichen Alten nicht mehr gesehen. — Jch denke Vater wir besuchen ihn jezt auf ein halbes Stuͤndchen; dann will ich ihm auch sofort das traurige Zimmer zeigen, wo sein Franz so lange in toder, traͤhnenwerther Einsamkeit saß. Nicht wahr Doktor, — Sie gehen mit?
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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