Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.2. Krankheit der Einbildungskraft. Nachricht von einer Frau, welche meinet, daß sie gestorben sey, und durchaus als eine Gestorbene wollte behandelt werden.Nachstehende Erzählung des Bonnet ist von einer sonderbaren Art. Ein sonst verständiges altes Frauenzimmer fängt auf einmal sich einzubilden an, daß sie gestorben sey, und begraben werden müsse. Keine Vorstellungen dagegen wollten etwas fruchten, man muß sie, um sie zu beruhigen, durchaus in einen Sarg legen; aber selbst bei dem eingebildeten Tode verläßt sie die weibliche Neigung nicht, sich zu schmücken, etc. -- doch hier ist die ganze Erzählung selbst. Eine ehrbar alte Frau von beinahe siebenzig Jahren saß frisch und gesund in der Küche, und bereitete eben die Speisen zu, als sie eine durch die Küchenthür eindringende Zugluft so heftig in den Nacken traf, daß sie als wie vom Schlage gerührt, und an der einen Seite auf einmal gänzlich gelähmt wurde, so daß sie die Tage hindurch fast ganz einer todten Person glich. Vier Tage nachher bekam sie ihre Sprache wieder, und ernannte diejenigen Frauenzimmer, welche ihr das Sterbekleid anziehen, 2. Krankheit der Einbildungskraft. Nachricht von einer Frau, welche meinet, daß sie gestorben sey, und durchaus als eine Gestorbene wollte behandelt werden.Nachstehende Erzaͤhlung des Bonnet ist von einer sonderbaren Art. Ein sonst verstaͤndiges altes Frauenzimmer faͤngt auf einmal sich einzubilden an, daß sie gestorben sey, und begraben werden muͤsse. Keine Vorstellungen dagegen wollten etwas fruchten, man muß sie, um sie zu beruhigen, durchaus in einen Sarg legen; aber selbst bei dem eingebildeten Tode verlaͤßt sie die weibliche Neigung nicht, sich zu schmuͤcken, etc. — doch hier ist die ganze Erzaͤhlung selbst. Eine ehrbar alte Frau von beinahe siebenzig Jahren saß frisch und gesund in der Kuͤche, und bereitete eben die Speisen zu, als sie eine durch die Kuͤchenthuͤr eindringende Zugluft so heftig in den Nacken traf, daß sie als wie vom Schlage geruͤhrt, und an der einen Seite auf einmal gaͤnzlich gelaͤhmt wurde, so daß sie die Tage hindurch fast ganz einer todten Person glich. Vier Tage nachher bekam sie ihre Sprache wieder, und ernannte diejenigen Frauenzimmer, welche ihr das Sterbekleid anziehen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0042" n="42"/><lb/><lb/> </div> </div> <div n="3"> <head>2. Krankheit der Einbildungskraft. <note type="editorial"><bibl><persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName></bibl></note> Nachricht von einer Frau, welche meinet, daß sie gestorben sey, und durchaus als eine Gestorbene wollte behandelt werden.</head><lb/> <p>Nachstehende Erzaͤhlung des <hi rendition="#b">Bonnet</hi> ist von einer sonderbaren Art. Ein sonst verstaͤndiges altes Frauenzimmer faͤngt auf einmal sich einzubilden an, daß sie gestorben sey, und begraben werden muͤsse. Keine Vorstellungen dagegen wollten etwas fruchten, man muß sie, um sie zu beruhigen, durchaus in einen Sarg legen; aber selbst bei dem eingebildeten Tode verlaͤßt sie die weibliche Neigung nicht, sich zu schmuͤcken, etc. — doch hier ist die ganze Erzaͤhlung selbst.</p> <p>Eine ehrbar alte Frau von beinahe siebenzig Jahren saß frisch und gesund in der Kuͤche, und bereitete eben die Speisen zu, als sie eine durch die Kuͤchenthuͤr eindringende Zugluft so heftig in den Nacken traf, daß sie als wie vom Schlage geruͤhrt, und an der einen Seite auf einmal gaͤnzlich gelaͤhmt wurde, so daß sie die Tage hindurch fast ganz einer todten Person <choice><corr>glich.</corr><sic>gliech.</sic></choice> Vier Tage nachher bekam sie ihre Sprache wieder, und ernannte diejenigen Frauenzimmer, welche ihr das Sterbekleid anziehen,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0042]
2. Krankheit der Einbildungskraft. Nachricht von einer Frau, welche meinet, daß sie gestorben sey, und durchaus als eine Gestorbene wollte behandelt werden.
Nachstehende Erzaͤhlung des Bonnet ist von einer sonderbaren Art. Ein sonst verstaͤndiges altes Frauenzimmer faͤngt auf einmal sich einzubilden an, daß sie gestorben sey, und begraben werden muͤsse. Keine Vorstellungen dagegen wollten etwas fruchten, man muß sie, um sie zu beruhigen, durchaus in einen Sarg legen; aber selbst bei dem eingebildeten Tode verlaͤßt sie die weibliche Neigung nicht, sich zu schmuͤcken, etc. — doch hier ist die ganze Erzaͤhlung selbst.
Eine ehrbar alte Frau von beinahe siebenzig Jahren saß frisch und gesund in der Kuͤche, und bereitete eben die Speisen zu, als sie eine durch die Kuͤchenthuͤr eindringende Zugluft so heftig in den Nacken traf, daß sie als wie vom Schlage geruͤhrt, und an der einen Seite auf einmal gaͤnzlich gelaͤhmt wurde, so daß sie die Tage hindurch fast ganz einer todten Person glich. Vier Tage nachher bekam sie ihre Sprache wieder, und ernannte diejenigen Frauenzimmer, welche ihr das Sterbekleid anziehen,
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