Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0043" n="43"/><lb/> und sie, da sie bereits wuͤrklich todt sey, in den Sarg legen sollten. Man gab sich alle Muͤhe, sie von ihrem laͤcherlichen Wahn zu befreien. Jhre Tochter und Bedienten machten es ihr sehr begreiflich, daß sie nicht gestorben sey; sondern noch lebe; alles war umsonst, die Todte wurde hitzig, und fing auf die Saumseligkeit ihrer Freundinnen gewaltig zu schmaͤlen an, welche ihr nicht gleich den lezten Liebesdienst mit Beschickung ihres Koͤrpers erweisen wollten, und wie die Freundinnen noch laͤnger zauderten, wurde sie im hoͤchsten Grade ungedultig, und wollte von einer Magd mit Drohworten ihre Ankleidung als eine Todte erzwingen. Endlich fand man es fuͤr noͤthig, um sie zu beruhigen, daß man sie wie eine Leiche ankleidete, und wuͤrklich auf ein Paradebette legte. Sie selbst beschaͤftigte sich hier, noch so galant als moͤglich zu erscheinen, sie stekte sich die Nadeln anders, musterte an dem Saume des Sterbekleides, und war mit der Weiße des Leinnens zu ihrer Beerdigung gar nicht zufrieden. Endlich fiel sie in einen Schlaf, wo man sie alsdann wieder auskleidete, und in ihr Bette legte. Kaum war sie aber wieder erwacht, als die vorige Grille, daß sie wuͤrcklich todt sey, und beerdigt werden muͤsse, wieder kam. Dieser Paroxismus dauerte lange fort. Der Arzt gab ihr Pulver aus Edelstein mit Opium vermischt. Da sie endlich glaubte, daß sie sich noch wuͤrklich im Lande der Lebendigen befinde, aͤußerte sie oft, daß sie in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0043]
und sie, da sie bereits wuͤrklich todt sey, in den Sarg legen sollten. Man gab sich alle Muͤhe, sie von ihrem laͤcherlichen Wahn zu befreien. Jhre Tochter und Bedienten machten es ihr sehr begreiflich, daß sie nicht gestorben sey; sondern noch lebe; alles war umsonst, die Todte wurde hitzig, und fing auf die Saumseligkeit ihrer Freundinnen gewaltig zu schmaͤlen an, welche ihr nicht gleich den lezten Liebesdienst mit Beschickung ihres Koͤrpers erweisen wollten, und wie die Freundinnen noch laͤnger zauderten, wurde sie im hoͤchsten Grade ungedultig, und wollte von einer Magd mit Drohworten ihre Ankleidung als eine Todte erzwingen. Endlich fand man es fuͤr noͤthig, um sie zu beruhigen, daß man sie wie eine Leiche ankleidete, und wuͤrklich auf ein Paradebette legte. Sie selbst beschaͤftigte sich hier, noch so galant als moͤglich zu erscheinen, sie stekte sich die Nadeln anders, musterte an dem Saume des Sterbekleides, und war mit der Weiße des Leinnens zu ihrer Beerdigung gar nicht zufrieden. Endlich fiel sie in einen Schlaf, wo man sie alsdann wieder auskleidete, und in ihr Bette legte. Kaum war sie aber wieder erwacht, als die vorige Grille, daß sie wuͤrcklich todt sey, und beerdigt werden muͤsse, wieder kam. Dieser Paroxismus dauerte lange fort. Der Arzt gab ihr Pulver aus Edelstein mit Opium vermischt. Da sie endlich glaubte, daß sie sich noch wuͤrklich im Lande der Lebendigen befinde, aͤußerte sie oft, daß sie in
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