Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


nähere Nachricht von Simmen mittheilte, schloß: daß es sicherlich das Profil von einem außerordentlichen Mann sey, der groß seyn würde, wenn er etwas mehr eigentlichen denkenden Scharfsinn, und mehr innige Liebe hätte. Etc. Aus dem vor mir liegenden Kupferstich erhellet nach meinem Urtheil, daß Simmen kein gewöhnlicher, kein gemeiner Kopf war. Zwar nicht denkender Scharfsinn, aber ein zum ernsthaften Forschen und Untersuchen aufgelegter Verstand leuchtet daraus sehr deutlich hervor, -- eine feste Seele, ein kühner Character, ein beharrlicher Sinn, ohne einen Zug von Grausamkeit. Vielmehr glaub' ich in ihm einen nicht geringen Grad von Menschenliebe, von väterlicher Herzlichkeit, obgleich auch einer beigemischten Rohheit der Natur zu bemerken. Steifer Ehrgeitz und Streben nach Vorzügen zeichnet sich auch darin aus. Jm Ganzen ists das Gesicht eines rechtschaffenen Mannes.

"Der Unglückliche, so hebt der Verfasser oben angezeigter kleinen Schrift an, war in seiner Kindheit ein flüchtiger Knabe, dem nichts weniger, als das Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des Christenthums, und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darin gelehrt wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Nahmen schreiben gelernt hat. Dieß ist das Zeugniß, das ihm diejenigen geben,


naͤhere Nachricht von Simmen mittheilte, schloß: daß es sicherlich das Profil von einem außerordentlichen Mann sey, der groß seyn wuͤrde, wenn er etwas mehr eigentlichen denkenden Scharfsinn, und mehr innige Liebe haͤtte. Etc. Aus dem vor mir liegenden Kupferstich erhellet nach meinem Urtheil, daß Simmen kein gewoͤhnlicher, kein gemeiner Kopf war. Zwar nicht denkender Scharfsinn, aber ein zum ernsthaften Forschen und Untersuchen aufgelegter Verstand leuchtet daraus sehr deutlich hervor, — eine feste Seele, ein kuͤhner Character, ein beharrlicher Sinn, ohne einen Zug von Grausamkeit. Vielmehr glaub' ich in ihm einen nicht geringen Grad von Menschenliebe, von vaͤterlicher Herzlichkeit, obgleich auch einer beigemischten Rohheit der Natur zu bemerken. Steifer Ehrgeitz und Streben nach Vorzuͤgen zeichnet sich auch darin aus. Jm Ganzen ists das Gesicht eines rechtschaffenen Mannes.

»Der Ungluͤckliche, so hebt der Verfasser oben angezeigter kleinen Schrift an, war in seiner Kindheit ein fluͤchtiger Knabe, dem nichts weniger, als das Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des Christenthums, und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darin gelehrt wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Nahmen schreiben gelernt hat. Dieß ist das Zeugniß, das ihm diejenigen geben,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0031" n="29"/><lb/>
na&#x0364;here Nachricht von <hi rendition="#b">Simmen</hi> mittheilte, schloß: daß es sicherlich das                         Profil von einem außerordentlichen Mann sey, der groß seyn wu&#x0364;rde, wenn er                         etwas mehr eigentlichen denkenden Scharfsinn, und mehr innige Liebe ha&#x0364;tte.                         Etc. Aus dem vor mir liegenden Kupferstich erhellet nach meinem Urtheil, daß <hi rendition="#b">Simmen</hi> kein gewo&#x0364;hnlicher, kein gemeiner Kopf                         war. Zwar nicht denkender Scharfsinn, aber ein zum ernsthaften Forschen und                         Untersuchen aufgelegter Verstand leuchtet daraus sehr deutlich hervor, &#x2014;                         eine feste Seele, ein ku&#x0364;hner Character, ein beharrlicher Sinn, ohne einen                         Zug von Grausamkeit. Vielmehr glaub' ich in ihm einen nicht geringen Grad                         von Menschenliebe, von va&#x0364;terlicher Herzlichkeit, obgleich auch einer                         beigemischten Rohheit der Natur zu bemerken. Steifer Ehrgeitz und Streben                         nach Vorzu&#x0364;gen zeichnet sich auch darin aus. Jm Ganzen ists das Gesicht eines                         rechtschaffenen Mannes.</p>
            <p>»Der Unglu&#x0364;ckliche, so hebt der Verfasser oben angezeigter kleinen Schrift an,                         war in seiner Kindheit ein flu&#x0364;chtiger Knabe, dem nichts weniger, als das                         Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des                         Christenthums, und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darin gelehrt                         wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Nahmen                         schreiben gelernt hat. Dieß ist das Zeugniß, das ihm diejenigen geben,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0031] naͤhere Nachricht von Simmen mittheilte, schloß: daß es sicherlich das Profil von einem außerordentlichen Mann sey, der groß seyn wuͤrde, wenn er etwas mehr eigentlichen denkenden Scharfsinn, und mehr innige Liebe haͤtte. Etc. Aus dem vor mir liegenden Kupferstich erhellet nach meinem Urtheil, daß Simmen kein gewoͤhnlicher, kein gemeiner Kopf war. Zwar nicht denkender Scharfsinn, aber ein zum ernsthaften Forschen und Untersuchen aufgelegter Verstand leuchtet daraus sehr deutlich hervor, — eine feste Seele, ein kuͤhner Character, ein beharrlicher Sinn, ohne einen Zug von Grausamkeit. Vielmehr glaub' ich in ihm einen nicht geringen Grad von Menschenliebe, von vaͤterlicher Herzlichkeit, obgleich auch einer beigemischten Rohheit der Natur zu bemerken. Steifer Ehrgeitz und Streben nach Vorzuͤgen zeichnet sich auch darin aus. Jm Ganzen ists das Gesicht eines rechtschaffenen Mannes. »Der Ungluͤckliche, so hebt der Verfasser oben angezeigter kleinen Schrift an, war in seiner Kindheit ein fluͤchtiger Knabe, dem nichts weniger, als das Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des Christenthums, und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darin gelehrt wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Nahmen schreiben gelernt hat. Dieß ist das Zeugniß, das ihm diejenigen geben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/31
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/31>, abgerufen am 23.11.2024.