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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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gegnete ihm einstmahls, daß die Worte zu groß geschrieben waren, und nicht grade unter ihre correspondirenden Noten zu stehen kamen. Er erkannte aber sogleich seinen Fehler, und wischte, indem er mit der Hand darüber fuhr, seine Arbeit wieder aus; aber weiter unten machte er eine neue musicalische Linie mit der größten Genauigkeit.

Eine nicht weniger bemerkenswerthe Sonderbarkeit ist diese. Er bildete sich nehmlich einstmahls des Nachts mitten im Winter ein, daß er am Ufer eines Flußes spazieren gienge, und ein badendes Kind in den Fluß hinabstürzen sehe. Die Strenge der Kälte hielt ihn nicht ab, dem Kinde zu Hülfe zu eilen; er warf sich augenblicklich über sein Bette, in der Lage eines Schwimmenden. Er machte alle Bewegungen eines solchen nach, und da er sich bei dieser Bewegung einige Zeit abgemattet hatte; so bemerkte er im Winkel seines Bettes eine zusammen gewickelte Decke, glaubte, daß diese das Kind sey, ergriff es mit der einen Hand, und bediente sich der andern, um durchs Schwimmen wieder ans Ufer des vermeintlichen Flußes zu kommen. Hier sezte er nun sein Paquet ab, und ging vor Kälte schaudernd, und mit den Zähnen klappernd weiter, grade als wenn er würklich aus einem gefrornen Fluße gestiegen wäre. Er sagte zu den Umstehenden: daß es friere, und daß er vor Kälte halb erstarret sey! Er foderte ein Glas vom Lebenswasser, um sich wieder zu erwärmen, weil aber keines vorhanden war,


gegnete ihm einstmahls, daß die Worte zu groß geschrieben waren, und nicht grade unter ihre correspondirenden Noten zu stehen kamen. Er erkannte aber sogleich seinen Fehler, und wischte, indem er mit der Hand daruͤber fuhr, seine Arbeit wieder aus; aber weiter unten machte er eine neue musicalische Linie mit der groͤßten Genauigkeit.

Eine nicht weniger bemerkenswerthe Sonderbarkeit ist diese. Er bildete sich nehmlich einstmahls des Nachts mitten im Winter ein, daß er am Ufer eines Flußes spazieren gienge, und ein badendes Kind in den Fluß hinabstuͤrzen sehe. Die Strenge der Kaͤlte hielt ihn nicht ab, dem Kinde zu Huͤlfe zu eilen; er warf sich augenblicklich uͤber sein Bette, in der Lage eines Schwimmenden. Er machte alle Bewegungen eines solchen nach, und da er sich bei dieser Bewegung einige Zeit abgemattet hatte; so bemerkte er im Winkel seines Bettes eine zusammen gewickelte Decke, glaubte, daß diese das Kind sey, ergriff es mit der einen Hand, und bediente sich der andern, um durchs Schwimmen wieder ans Ufer des vermeintlichen Flußes zu kommen. Hier sezte er nun sein Paquet ab, und ging vor Kaͤlte schaudernd, und mit den Zaͤhnen klappernd weiter, grade als wenn er wuͤrklich aus einem gefrornen Fluße gestiegen waͤre. Er sagte zu den Umstehenden: daß es friere, und daß er vor Kaͤlte halb erstarret sey! Er foderte ein Glas vom Lebenswasser, um sich wieder zu erwaͤrmen, weil aber keines vorhanden war,

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[61/0061] gegnete ihm einstmahls, daß die Worte zu groß geschrieben waren, und nicht grade unter ihre correspondirenden Noten zu stehen kamen. Er erkannte aber sogleich seinen Fehler, und wischte, indem er mit der Hand daruͤber fuhr, seine Arbeit wieder aus; aber weiter unten machte er eine neue musicalische Linie mit der groͤßten Genauigkeit. Eine nicht weniger bemerkenswerthe Sonderbarkeit ist diese. Er bildete sich nehmlich einstmahls des Nachts mitten im Winter ein, daß er am Ufer eines Flußes spazieren gienge, und ein badendes Kind in den Fluß hinabstuͤrzen sehe. Die Strenge der Kaͤlte hielt ihn nicht ab, dem Kinde zu Huͤlfe zu eilen; er warf sich augenblicklich uͤber sein Bette, in der Lage eines Schwimmenden. Er machte alle Bewegungen eines solchen nach, und da er sich bei dieser Bewegung einige Zeit abgemattet hatte; so bemerkte er im Winkel seines Bettes eine zusammen gewickelte Decke, glaubte, daß diese das Kind sey, ergriff es mit der einen Hand, und bediente sich der andern, um durchs Schwimmen wieder ans Ufer des vermeintlichen Flußes zu kommen. Hier sezte er nun sein Paquet ab, und ging vor Kaͤlte schaudernd, und mit den Zaͤhnen klappernd weiter, grade als wenn er wuͤrklich aus einem gefrornen Fluße gestiegen waͤre. Er sagte zu den Umstehenden: daß es friere, und daß er vor Kaͤlte halb erstarret sey! Er foderte ein Glas vom Lebenswasser, um sich wieder zu erwaͤrmen, weil aber keines vorhanden war,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/61>, abgerufen am 18.05.2024.