Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
Mehrere Erzählungen von Nachtwandlern, die uns die Ärzte aufgezeichnet haben, halte ich für höchst unwahrscheinlich, zumal wenn sie wieder die Natur unsrer Seele streiten, und man hätte nicht so leichtgläubig seyn sollen, solche Facta wirklich für wahr zu halten. Selbst die Erzählung des Alemannus, daß ein Nachtwandler mit dem Degen an der Seite im Schlafe über die Seine geschwommen, und denjenigen ums Leben gebracht habe, den er zu ermorden sich wachend vorgenommen gehabt, und daß er durch den Strom nach vollbrachter abscheulicher That wieder nach Hause zurükgekehrt sey, kommt mir verdächtig vor. Am allermeisten aber was man von der Gabe mehrerer Nachtwandler erzählt hat, daß sie im Schlaf Sprachen verstanden und gesprochen hätten, die ihnen sonst ganz unbekannt waren. Dies klingt alles zu fabelhaft, als daß ein vernünftiger Mensch dergleichen glauben könnte; daß aber dergleichen Menschen während ihres Paroxismus vielleicht durch eine außerordentliche Anstrengung der Natur, Jdeen schaffen können, zu denen sie jezt in wachendem Zustande keine Fähigkeit mehr haben, die sie aber sonst schon einmal gedacht, erfunden hatten, ist wohl nicht zu läugnen. Gelehrte Nachtwandler können auch wohl gelehrt träumen, aber ein unwissender Mensch
Mehrere Erzaͤhlungen von Nachtwandlern, die uns die Ärzte aufgezeichnet haben, halte ich fuͤr hoͤchst unwahrscheinlich, zumal wenn sie wieder die Natur unsrer Seele streiten, und man haͤtte nicht so leichtglaͤubig seyn sollen, solche Facta wirklich fuͤr wahr zu halten. Selbst die Erzaͤhlung des Alemannus, daß ein Nachtwandler mit dem Degen an der Seite im Schlafe uͤber die Seine geschwommen, und denjenigen ums Leben gebracht habe, den er zu ermorden sich wachend vorgenommen gehabt, und daß er durch den Strom nach vollbrachter abscheulicher That wieder nach Hause zuruͤkgekehrt sey, kommt mir verdaͤchtig vor. Am allermeisten aber was man von der Gabe mehrerer Nachtwandler erzaͤhlt hat, daß sie im Schlaf Sprachen verstanden und gesprochen haͤtten, die ihnen sonst ganz unbekannt waren. Dies klingt alles zu fabelhaft, als daß ein vernuͤnftiger Mensch dergleichen glauben koͤnnte; daß aber dergleichen Menschen waͤhrend ihres Paroxismus vielleicht durch eine außerordentliche Anstrengung der Natur, Jdeen schaffen koͤnnen, zu denen sie jezt in wachendem Zustande keine Faͤhigkeit mehr haben, die sie aber sonst schon einmal gedacht, erfunden hatten, ist wohl nicht zu laͤugnen. Gelehrte Nachtwandler koͤnnen auch wohl gelehrt traͤumen, aber ein unwissender Mensch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0079" n="79"/><lb/> und aus Furcht, sie nicht wieder zu bekommen, nach und nach ruhig zu werden anfieng.</p> <p>Mehrere Erzaͤhlungen von Nachtwandlern, die uns die Ärzte aufgezeichnet haben, halte ich fuͤr hoͤchst unwahrscheinlich, zumal wenn sie wieder die Natur unsrer Seele streiten, und man haͤtte nicht so leichtglaͤubig seyn sollen, solche Facta wirklich fuͤr wahr zu halten. Selbst die Erzaͤhlung des Alemannus, daß ein Nachtwandler mit dem Degen an der Seite im Schlafe uͤber die Seine geschwommen, und denjenigen ums Leben gebracht habe, den er zu ermorden sich wachend vorgenommen gehabt, und daß er durch den Strom nach vollbrachter abscheulicher That wieder nach Hause zuruͤkgekehrt sey, kommt mir verdaͤchtig vor. Am allermeisten aber was man von der Gabe mehrerer Nachtwandler erzaͤhlt hat, daß sie im Schlaf Sprachen verstanden und gesprochen haͤtten, die ihnen sonst <hi rendition="#b">ganz unbekannt</hi> waren. Dies klingt alles zu fabelhaft, als daß ein vernuͤnftiger Mensch dergleichen glauben koͤnnte; <hi rendition="#b">daß aber dergleichen Menschen waͤhrend ihres Paroxismus vielleicht durch eine außerordentliche Anstrengung der Natur, Jdeen schaffen koͤnnen, zu denen sie jezt in wachendem Zustande keine Faͤhigkeit mehr haben, die sie aber sonst schon einmal gedacht, erfunden hatten, ist wohl nicht zu laͤugnen.</hi> Gelehrte Nachtwandler koͤnnen auch wohl gelehrt traͤumen, aber ein unwissender Mensch<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0079]
und aus Furcht, sie nicht wieder zu bekommen, nach und nach ruhig zu werden anfieng.
Mehrere Erzaͤhlungen von Nachtwandlern, die uns die Ärzte aufgezeichnet haben, halte ich fuͤr hoͤchst unwahrscheinlich, zumal wenn sie wieder die Natur unsrer Seele streiten, und man haͤtte nicht so leichtglaͤubig seyn sollen, solche Facta wirklich fuͤr wahr zu halten. Selbst die Erzaͤhlung des Alemannus, daß ein Nachtwandler mit dem Degen an der Seite im Schlafe uͤber die Seine geschwommen, und denjenigen ums Leben gebracht habe, den er zu ermorden sich wachend vorgenommen gehabt, und daß er durch den Strom nach vollbrachter abscheulicher That wieder nach Hause zuruͤkgekehrt sey, kommt mir verdaͤchtig vor. Am allermeisten aber was man von der Gabe mehrerer Nachtwandler erzaͤhlt hat, daß sie im Schlaf Sprachen verstanden und gesprochen haͤtten, die ihnen sonst ganz unbekannt waren. Dies klingt alles zu fabelhaft, als daß ein vernuͤnftiger Mensch dergleichen glauben koͤnnte; daß aber dergleichen Menschen waͤhrend ihres Paroxismus vielleicht durch eine außerordentliche Anstrengung der Natur, Jdeen schaffen koͤnnen, zu denen sie jezt in wachendem Zustande keine Faͤhigkeit mehr haben, die sie aber sonst schon einmal gedacht, erfunden hatten, ist wohl nicht zu laͤugnen. Gelehrte Nachtwandler koͤnnen auch wohl gelehrt traͤumen, aber ein unwissender Mensch
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