Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
Jch kann nicht umhin, hier eine Bemerkung anzuschliessen; wozu ein mir jüngst in die Hände gerathner Plan einer abzuhandelnden Seelenlehre den Anlaß gab. Die beste Behandlung einer Seelenlehre, glaub ich, wird diese seyn: wenn man Körperlehre, insbesondere die des menschlichen Körpers vorausschickt, welche beide die Menschenlehre heissen. Nur ein solches System, wo von einem Rücksicht auf das andere genommen, und mit dem andern verbunden untersucht wird, kann eine deutliche und gründliche Seelenlehre, kann unverfälschte Menschen- und Seelenkenntniß erzeugen, und richtige Jmputationsregeln angeben. So läßt sich leichter auf die Existenz eines Wesens kommen, das wir Seele nennen; nähmlich: durch das Geistige unserer Vorstellungen erster und anderer Classe, und ihre Jnkompatibilität mit der Materie, dann kann man auch desto sicherer zu der Untersuchung ihrer Natur, ihres eigenthümlichen und selbstständigen Wesens schreiten. Jst ja der Körper unserer Seele das nächste, muß ich nicht von der Aeuserungsart auf die äußernde Kraft schließen? und würkt unser Geist nicht durch die Sinne, welche auch zugleich seine Würkungsart bestimmen, da sie den Grund derselben in sich fassen? Unsere Psychologen vergessen
Jch kann nicht umhin, hier eine Bemerkung anzuschliessen; wozu ein mir juͤngst in die Haͤnde gerathner Plan einer abzuhandelnden Seelenlehre den Anlaß gab. Die beste Behandlung einer Seelenlehre, glaub ich, wird diese seyn: wenn man Koͤrperlehre, insbesondere die des menschlichen Koͤrpers vorausschickt, welche beide die Menschenlehre heissen. Nur ein solches System, wo von einem Ruͤcksicht auf das andere genommen, und mit dem andern verbunden untersucht wird, kann eine deutliche und gruͤndliche Seelenlehre, kann unverfaͤlschte Menschen- und Seelenkenntniß erzeugen, und richtige Jmputationsregeln angeben. So laͤßt sich leichter auf die Existenz eines Wesens kommen, das wir Seele nennen; naͤhmlich: durch das Geistige unserer Vorstellungen erster und anderer Classe, und ihre Jnkompatibilitaͤt mit der Materie, dann kann man auch desto sicherer zu der Untersuchung ihrer Natur, ihres eigenthuͤmlichen und selbststaͤndigen Wesens schreiten. Jst ja der Koͤrper unserer Seele das naͤchste, muß ich nicht von der Aeuserungsart auf die aͤußernde Kraft schließen? und wuͤrkt unser Geist nicht durch die Sinne, welche auch zugleich seine Wuͤrkungsart bestimmen, da sie den Grund derselben in sich fassen? Unsere Psychologen vergessen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0095" n="95"/><lb/> vielleicht, durch den jetzigen Zustand der Seele in Verbindung mit dem Koͤrper erklaͤrbar waͤre.</p> <p>Jch kann nicht umhin, hier eine Bemerkung anzuschliessen; wozu ein mir juͤngst in die Haͤnde gerathner Plan einer abzuhandelnden Seelenlehre den Anlaß gab.</p> <p>Die beste Behandlung einer Seelenlehre, glaub ich, wird diese seyn: wenn man Koͤrperlehre, insbesondere die des menschlichen Koͤrpers vorausschickt, welche beide die Menschenlehre heissen. Nur ein solches System, wo von einem Ruͤcksicht auf das andere genommen, und mit dem andern verbunden untersucht wird, kann eine deutliche und gruͤndliche Seelenlehre, kann unverfaͤlschte Menschen- und Seelenkenntniß erzeugen, und richtige Jmputationsregeln angeben. So laͤßt sich leichter auf die Existenz eines Wesens kommen, das wir Seele nennen; naͤhmlich: durch das Geistige unserer Vorstellungen erster und anderer Classe, und ihre Jnkompatibilitaͤt mit der Materie, dann kann man auch desto sicherer zu der Untersuchung ihrer Natur, ihres eigenthuͤmlichen und selbststaͤndigen Wesens schreiten.</p> <p>Jst ja der Koͤrper unserer Seele das naͤchste, muß ich nicht von der <hi rendition="#b">Aeuserungsart</hi> auf die <hi rendition="#b">aͤußernde</hi> Kraft schließen? und wuͤrkt unser Geist nicht durch die Sinne, welche auch zugleich seine Wuͤrkungsart bestimmen, da sie den Grund derselben in sich fassen? Unsere Psychologen vergessen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0095]
vielleicht, durch den jetzigen Zustand der Seele in Verbindung mit dem Koͤrper erklaͤrbar waͤre.
Jch kann nicht umhin, hier eine Bemerkung anzuschliessen; wozu ein mir juͤngst in die Haͤnde gerathner Plan einer abzuhandelnden Seelenlehre den Anlaß gab.
Die beste Behandlung einer Seelenlehre, glaub ich, wird diese seyn: wenn man Koͤrperlehre, insbesondere die des menschlichen Koͤrpers vorausschickt, welche beide die Menschenlehre heissen. Nur ein solches System, wo von einem Ruͤcksicht auf das andere genommen, und mit dem andern verbunden untersucht wird, kann eine deutliche und gruͤndliche Seelenlehre, kann unverfaͤlschte Menschen- und Seelenkenntniß erzeugen, und richtige Jmputationsregeln angeben. So laͤßt sich leichter auf die Existenz eines Wesens kommen, das wir Seele nennen; naͤhmlich: durch das Geistige unserer Vorstellungen erster und anderer Classe, und ihre Jnkompatibilitaͤt mit der Materie, dann kann man auch desto sicherer zu der Untersuchung ihrer Natur, ihres eigenthuͤmlichen und selbststaͤndigen Wesens schreiten.
Jst ja der Koͤrper unserer Seele das naͤchste, muß ich nicht von der Aeuserungsart auf die aͤußernde Kraft schließen? und wuͤrkt unser Geist nicht durch die Sinne, welche auch zugleich seine Wuͤrkungsart bestimmen, da sie den Grund derselben in sich fassen? Unsere Psychologen vergessen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |