Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
Die Natur des menschlichen Jndividuums ist die wechselseitige, Ein- und Zurückwürkung der Seele und Körperkräfte dieses oder jenes Menschen; so wie die Natur des Körpers der Mechanismus desselben ist, und die Natur der Seele, die Kraft zu empfinden, zu denken und zu wollen, als eben so viele wesentliche Eigenschaften einer einzigen Urkraft in der einfachen Substanz. Man sieht oft deutlich, wie die Modifikation der menschlichen Natur, (nicht der einzelnen des Körpers, oder der Seele), die Triebe im Menschen modificire. Es scheint aber der Seele der Aushaltungstrieb zu fehlen; ich meine das Ankleben, das starre ununterbrochene, langwährende Ausharren der Seele an einem Standpunkt ihrer Kraft; es scheint, ihre Kraft vermag nur bis zu einem gewissen Grade des Ausharrens hinan zu steigen, nach dessen Ueberschreitung sie schlaff wird, und sich nach Ruhe sehnt. Die Nachlassung der angespannten Seelenkraft folgt in einem Subjeckt eher, im andern später; ob aber diese endliche Erschlaffung allgemein sey? darüber will ich jeden zu seiner Selbstbeobachtung aufrufen; so wie ich die meinige fortsetzen werde; übrigens wird man sie nicht so leicht a priori demonstriren, noch aus der Analogie der Körperskräfte darthun können; obwohl sie
Die Natur des menschlichen Jndividuums ist die wechselseitige, Ein- und Zuruͤckwuͤrkung der Seele und Koͤrperkraͤfte dieses oder jenes Menschen; so wie die Natur des Koͤrpers der Mechanismus desselben ist, und die Natur der Seele, die Kraft zu empfinden, zu denken und zu wollen, als eben so viele wesentliche Eigenschaften einer einzigen Urkraft in der einfachen Substanz. Man sieht oft deutlich, wie die Modifikation der menschlichen Natur, (nicht der einzelnen des Koͤrpers, oder der Seele), die Triebe im Menschen modificire. Es scheint aber der Seele der Aushaltungstrieb zu fehlen; ich meine das Ankleben, das starre ununterbrochene, langwaͤhrende Ausharren der Seele an einem Standpunkt ihrer Kraft; es scheint, ihre Kraft vermag nur bis zu einem gewissen Grade des Ausharrens hinan zu steigen, nach dessen Ueberschreitung sie schlaff wird, und sich nach Ruhe sehnt. Die Nachlassung der angespannten Seelenkraft folgt in einem Subjeckt eher, im andern spaͤter; ob aber diese endliche Erschlaffung allgemein sey? daruͤber will ich jeden zu seiner Selbstbeobachtung aufrufen; so wie ich die meinige fortsetzen werde; uͤbrigens wird man sie nicht so leicht a priori demonstriren, noch aus der Analogie der Koͤrperskraͤfte darthun koͤnnen; obwohl sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0094" n="94"/><lb/> nach eben dem Verhaͤltniß zu andern Menschen, Thieren, oder leblosen Dingen.</p> <p>Die Natur des menschlichen Jndividuums ist die wechselseitige, Ein- und Zuruͤckwuͤrkung der Seele und Koͤrperkraͤfte dieses oder jenes Menschen; so wie die Natur des Koͤrpers der Mechanismus desselben ist, und die Natur der Seele, die Kraft zu empfinden, zu denken und zu wollen, als eben so viele wesentliche Eigenschaften einer einzigen <hi rendition="#b">Urkraft</hi> in der einfachen Substanz.</p> <p>Man sieht oft deutlich, wie die Modifikation der menschlichen Natur, (nicht der einzelnen des Koͤrpers, oder der Seele), die Triebe im Menschen modificire. Es scheint aber der Seele der Aushaltungstrieb zu fehlen; ich meine das Ankleben, das starre ununterbrochene, langwaͤhrende Ausharren der Seele an <hi rendition="#b">einem</hi> Standpunkt ihrer Kraft; es scheint, ihre Kraft vermag nur bis zu einem gewissen Grade des Ausharrens hinan zu steigen, nach dessen Ueberschreitung sie schlaff wird, und sich nach Ruhe sehnt. Die Nachlassung der angespannten Seelenkraft folgt in einem Subjeckt <hi rendition="#b">eher,</hi> im andern <hi rendition="#b">spaͤter;</hi> ob aber diese endliche Erschlaffung allgemein sey? daruͤber will ich jeden zu seiner Selbstbeobachtung aufrufen; so wie ich die meinige fortsetzen werde; uͤbrigens wird man sie nicht so leicht <hi rendition="#aq">a priori</hi> demonstriren, noch aus der Analogie der Koͤrperskraͤfte darthun koͤnnen; obwohl sie<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0094]
nach eben dem Verhaͤltniß zu andern Menschen, Thieren, oder leblosen Dingen.
Die Natur des menschlichen Jndividuums ist die wechselseitige, Ein- und Zuruͤckwuͤrkung der Seele und Koͤrperkraͤfte dieses oder jenes Menschen; so wie die Natur des Koͤrpers der Mechanismus desselben ist, und die Natur der Seele, die Kraft zu empfinden, zu denken und zu wollen, als eben so viele wesentliche Eigenschaften einer einzigen Urkraft in der einfachen Substanz.
Man sieht oft deutlich, wie die Modifikation der menschlichen Natur, (nicht der einzelnen des Koͤrpers, oder der Seele), die Triebe im Menschen modificire. Es scheint aber der Seele der Aushaltungstrieb zu fehlen; ich meine das Ankleben, das starre ununterbrochene, langwaͤhrende Ausharren der Seele an einem Standpunkt ihrer Kraft; es scheint, ihre Kraft vermag nur bis zu einem gewissen Grade des Ausharrens hinan zu steigen, nach dessen Ueberschreitung sie schlaff wird, und sich nach Ruhe sehnt. Die Nachlassung der angespannten Seelenkraft folgt in einem Subjeckt eher, im andern spaͤter; ob aber diese endliche Erschlaffung allgemein sey? daruͤber will ich jeden zu seiner Selbstbeobachtung aufrufen; so wie ich die meinige fortsetzen werde; uͤbrigens wird man sie nicht so leicht a priori demonstriren, noch aus der Analogie der Koͤrperskraͤfte darthun koͤnnen; obwohl sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |