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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

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Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero's Tuskulanischen Quästionen.)

Woher, o Brutus, kömmt es wohl, da wir doch aus Leib und Seele bestehen, daß man sich um die Kunst, den Körper zu heilen, und vor Krankheiten zu schützen, und um die nützliche Anwendung dieser Kunst bemüht, und den unsterblichen Göttern sogar die Ehre der Erfindung derselben zugeeignet hat; daß man hingegen die Heilkunde der Seele, weder vor ihrer Erfindung so sehr zu besitzen, noch nach ihrer Erfindung, dieselbe auszuüben gewünscht hat; und daß diese auch lange nicht bei so vielen Beifall und Liebe erhalten hat, als die Heilkunde des Körpers; ja, daß sie manchem sogar verhaßt und verdächtig geworden ist?

Kömmt dies vielleicht daher, weil wir vermittelst der Seele über unsre körperlichen Krankheiten und Gebrechen urtheilen, der Körper aber nicht so die Krankheiten und Schwächen der Seele bemerken kann? und weil also, indem die Seele über sich selbst urtheilt, dasjenige, womit sie urtheilt, selbst krank ist?



Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero's Tuskulanischen Quaͤstionen.)

Woher, o Brutus, koͤmmt es wohl, da wir doch aus Leib und Seele bestehen, daß man sich um die Kunst, den Koͤrper zu heilen, und vor Krankheiten zu schuͤtzen, und um die nuͤtzliche Anwendung dieser Kunst bemuͤht, und den unsterblichen Goͤttern sogar die Ehre der Erfindung derselben zugeeignet hat; daß man hingegen die Heilkunde der Seele, weder vor ihrer Erfindung so sehr zu besitzen, noch nach ihrer Erfindung, dieselbe auszuuͤben gewuͤnscht hat; und daß diese auch lange nicht bei so vielen Beifall und Liebe erhalten hat, als die Heilkunde des Koͤrpers; ja, daß sie manchem sogar verhaßt und verdaͤchtig geworden ist?

Koͤmmt dies vielleicht daher, weil wir vermittelst der Seele uͤber unsre koͤrperlichen Krankheiten und Gebrechen urtheilen, der Koͤrper aber nicht so die Krankheiten und Schwaͤchen der Seele bemerken kann? und weil also, indem die Seele uͤber sich selbst urtheilt, dasjenige, womit sie urtheilt, selbst krank ist?


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[120/0120] Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero's Tuskulanischen Quaͤstionen.) Woher, o Brutus, koͤmmt es wohl, da wir doch aus Leib und Seele bestehen, daß man sich um die Kunst, den Koͤrper zu heilen, und vor Krankheiten zu schuͤtzen, und um die nuͤtzliche Anwendung dieser Kunst bemuͤht, und den unsterblichen Goͤttern sogar die Ehre der Erfindung derselben zugeeignet hat; daß man hingegen die Heilkunde der Seele, weder vor ihrer Erfindung so sehr zu besitzen, noch nach ihrer Erfindung, dieselbe auszuuͤben gewuͤnscht hat; und daß diese auch lange nicht bei so vielen Beifall und Liebe erhalten hat, als die Heilkunde des Koͤrpers; ja, daß sie manchem sogar verhaßt und verdaͤchtig geworden ist? Koͤmmt dies vielleicht daher, weil wir vermittelst der Seele uͤber unsre koͤrperlichen Krankheiten und Gebrechen urtheilen, der Koͤrper aber nicht so die Krankheiten und Schwaͤchen der Seele bemerken kann? und weil also, indem die Seele uͤber sich selbst urtheilt, dasjenige, womit sie urtheilt, selbst krank ist?

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/120>, abgerufen am 21.11.2024.