Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.Statt des herzlichen Willkommens womit er sonst seine Freunde begrüßte, lächelte er mir düster entgegen, wie die Herbstsonne -- ein mattes unbedeutendes Lächeln, aus dem man nichts machen konnte. Er unterhielt mich mit dem, was dem Herrn von ** unterdeß begegnet sey -- unbedeutende Kleinigkeiten. Die Veränderung meines Schicksaals schien ihn wenig zu interessiren, ihn der sonst so warmen Antheil an Allem nahm, was seine Freunde anging. Jch verließ ihn bald, weil mich bei ihm graute. Jch warf mich in dem schmerzlichsten Gefühle in meinen Wagen. Jch war ganz allein; ich dachte über die menschliche Natur nach, und ich gesteh's, ich ward so kleinmüthig, daß ich mich vor mir selbst fürchtete. Kaum war ich in dem nächsten Wirthshause angekommen, als ich mich auf mein Zimmer schloß, und um mich meines peinlichen Gefühls zu entledigen, meine Empfindung in diesem Aufsatze auszuschütten suchte, und meinem unglücklichen Freunde eine stille Thräne weinte. ta paidika liegen gewis nicht zum Grunde, dafür stehe ich; aber Freundschaftsgefühle äussern sich doch auch nicht so. Hat man schon Beispiele von einer so seltsamen Verirrung der menschlichen Natur? und wie wäre meinem Freunde zu helfen? Statt des herzlichen Willkommens womit er sonst seine Freunde begruͤßte, laͤchelte er mir duͤster entgegen, wie die Herbstsonne — ein mattes unbedeutendes Laͤcheln, aus dem man nichts machen konnte. Er unterhielt mich mit dem, was dem Herrn von ** unterdeß begegnet sey — unbedeutende Kleinigkeiten. Die Veraͤnderung meines Schicksaals schien ihn wenig zu interessiren, ihn der sonst so warmen Antheil an Allem nahm, was seine Freunde anging. Jch verließ ihn bald, weil mich bei ihm graute. Jch warf mich in dem schmerzlichsten Gefuͤhle in meinen Wagen. Jch war ganz allein; ich dachte uͤber die menschliche Natur nach, und ich gesteh's, ich ward so kleinmuͤthig, daß ich mich vor mir selbst fuͤrchtete. Kaum war ich in dem naͤchsten Wirthshause angekommen, als ich mich auf mein Zimmer schloß, und um mich meines peinlichen Gefuͤhls zu entledigen, meine Empfindung in diesem Aufsatze auszuschuͤtten suchte, und meinem ungluͤcklichen Freunde eine stille Thraͤne weinte. τὰ παιδικὰ liegen gewis nicht zum Grunde, dafuͤr stehe ich; aber Freundschaftsgefuͤhle aͤussern sich doch auch nicht so. Hat man schon Beispiele von einer so seltsamen Verirrung der menschlichen Natur? und wie waͤre meinem Freunde zu helfen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0012" n="10"/><lb/> <p>Statt des herzlichen Willkommens womit er sonst seine Freunde begruͤßte, laͤchelte er mir duͤster entgegen, wie die Herbstsonne — ein mattes unbedeutendes Laͤcheln, aus dem man nichts machen konnte. </p> <p>Er unterhielt mich mit dem, was dem Herrn von ** unterdeß begegnet sey — unbedeutende Kleinigkeiten. </p> <p>Die Veraͤnderung meines Schicksaals schien ihn wenig zu interessiren, ihn der sonst so warmen Antheil an Allem nahm, was seine Freunde anging. Jch verließ ihn bald, weil mich bei ihm graute. </p> <p>Jch warf mich in dem schmerzlichsten Gefuͤhle in meinen Wagen. Jch war ganz allein; ich dachte uͤber die menschliche Natur nach, und ich gesteh's, ich ward so kleinmuͤthig, daß ich mich vor mir selbst fuͤrchtete. Kaum war ich in dem naͤchsten Wirthshause angekommen, als ich mich auf mein Zimmer schloß, und um mich meines peinlichen Gefuͤhls zu entledigen, meine Empfindung in diesem Aufsatze auszuschuͤtten suchte, und meinem ungluͤcklichen Freunde eine stille Thraͤne weinte. </p> <p>τὰ παιδικὰ liegen gewis nicht zum Grunde, dafuͤr stehe ich; aber Freundschaftsgefuͤhle aͤussern sich doch auch nicht so.</p> <p>Hat man schon Beispiele von einer so seltsamen Verirrung der menschlichen Natur? und wie waͤre meinem Freunde zu helfen? </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0012]
Statt des herzlichen Willkommens womit er sonst seine Freunde begruͤßte, laͤchelte er mir duͤster entgegen, wie die Herbstsonne — ein mattes unbedeutendes Laͤcheln, aus dem man nichts machen konnte.
Er unterhielt mich mit dem, was dem Herrn von ** unterdeß begegnet sey — unbedeutende Kleinigkeiten.
Die Veraͤnderung meines Schicksaals schien ihn wenig zu interessiren, ihn der sonst so warmen Antheil an Allem nahm, was seine Freunde anging. Jch verließ ihn bald, weil mich bei ihm graute.
Jch warf mich in dem schmerzlichsten Gefuͤhle in meinen Wagen. Jch war ganz allein; ich dachte uͤber die menschliche Natur nach, und ich gesteh's, ich ward so kleinmuͤthig, daß ich mich vor mir selbst fuͤrchtete. Kaum war ich in dem naͤchsten Wirthshause angekommen, als ich mich auf mein Zimmer schloß, und um mich meines peinlichen Gefuͤhls zu entledigen, meine Empfindung in diesem Aufsatze auszuschuͤtten suchte, und meinem ungluͤcklichen Freunde eine stille Thraͤne weinte.
τὰ παιδικὰ liegen gewis nicht zum Grunde, dafuͤr stehe ich; aber Freundschaftsgefuͤhle aͤussern sich doch auch nicht so.
Hat man schon Beispiele von einer so seltsamen Verirrung der menschlichen Natur? und wie waͤre meinem Freunde zu helfen?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |