Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch schreibe: kleine Beobachtungen. Denn ich will hier die kleine Münze einzelner Erfahrung so lange sammeln, bis ich sie in Goldstücke allgemeiner Anmerkungen umsetzen, und diese zu dem wichtigen Kapitale gedachter Resultate schlagen kann.

Von meinem Schwiegervater Heinike, und durch eignes Studium und unablässigen Selbsteifer ärndtete ich viele Erfahrung in meinem Fache. Des darf ich mich wohl rühmen, ohne den Fehler der Aufgeblasenheit mir auf die Schultern zu bürden.

Lebrecht F. ein Zögling im Jnstitute zu Leipzig, war 15 1/2 Jahr alt, als er in das Jnstitut kam.

Er hat in der zartesten Jugend, ehe er die Sprache noch fassen konnte, das Gehör durch die Pocken verloren. Beim ersten Blick sieht man es ihm an, daß sein Körper von einer thätigen Seele bewohnt wird.

Sein Geschäftigkeitstrieb ist ausserordentlich. Sich die Zeit zu kürzen, sann er darauf, Fliegen und Flöhe zu verbannen, Vögel und Fische hingegen auf eine schlaue Art zu fangen.

Besonders mußte ihm die Verbannung der Flöhe unglaubliches Kopfzerbrechen gekostet haben, denn sie war künstlich und sinnreich. Jch will sie im zweiten Versuche beschreiben.



Jch schreibe: kleine Beobachtungen. Denn ich will hier die kleine Muͤnze einzelner Erfahrung so lange sammeln, bis ich sie in Goldstuͤcke allgemeiner Anmerkungen umsetzen, und diese zu dem wichtigen Kapitale gedachter Resultate schlagen kann.

Von meinem Schwiegervater Heinike, und durch eignes Studium und unablaͤssigen Selbsteifer aͤrndtete ich viele Erfahrung in meinem Fache. Des darf ich mich wohl ruͤhmen, ohne den Fehler der Aufgeblasenheit mir auf die Schultern zu buͤrden.

Lebrecht F. ein Zoͤgling im Jnstitute zu Leipzig, war 15 1/2 Jahr alt, als er in das Jnstitut kam.

Er hat in der zartesten Jugend, ehe er die Sprache noch fassen konnte, das Gehoͤr durch die Pocken verloren. Beim ersten Blick sieht man es ihm an, daß sein Koͤrper von einer thaͤtigen Seele bewohnt wird.

Sein Geschaͤftigkeitstrieb ist ausserordentlich. Sich die Zeit zu kuͤrzen, sann er darauf, Fliegen und Floͤhe zu verbannen, Voͤgel und Fische hingegen auf eine schlaue Art zu fangen.

Besonders mußte ihm die Verbannung der Floͤhe unglaubliches Kopfzerbrechen gekostet haben, denn sie war kuͤnstlich und sinnreich. Jch will sie im zweiten Versuche beschreiben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0058" n="56"/><lb/>
            <p>Jch schreibe: <hi rendition="#b">kleine Beobachtungen.</hi> Denn ich will                         hier die kleine Mu&#x0364;nze einzelner Erfahrung so lange sammeln, bis ich sie in                         Goldstu&#x0364;cke allgemeiner Anmerkungen umsetzen, und diese zu dem wichtigen                         Kapitale gedachter Resultate schlagen kann. </p>
            <p>Von meinem Schwiegervater <hi rendition="#b"><persName ref="#ref23"><note type="editorial">Heinicke</note>Heinike,</persName></hi> und durch eignes Studium und unabla&#x0364;ssigen Selbsteifer a&#x0364;rndtete ich                         viele Erfahrung in meinem Fache. Des darf ich mich wohl ru&#x0364;hmen, ohne den                         Fehler der Aufgeblasenheit mir auf die Schultern zu bu&#x0364;rden. </p>
            <p><hi rendition="#b">Lebrecht F.</hi> ein Zo&#x0364;gling im Jnstitute zu Leipzig,                         war 15 1/2 Jahr alt, als er in das Jnstitut kam. </p>
            <p>Er hat in der zartesten Jugend, ehe er die Sprache noch fassen konnte, das                         Geho&#x0364;r durch die Pocken verloren. Beim ersten Blick sieht man es ihm an, daß                         sein Ko&#x0364;rper von einer tha&#x0364;tigen Seele bewohnt wird. </p>
            <p>Sein Gescha&#x0364;ftigkeitstrieb ist ausserordentlich. Sich die Zeit zu ku&#x0364;rzen, sann                         er darauf, Fliegen <choice><corr>und</corr><sic>nnd</sic></choice> Flo&#x0364;he zu verbannen, Vo&#x0364;gel und Fische hingegen auf eine schlaue Art zu                         fangen. </p>
            <p>Besonders mußte ihm die Verbannung der Flo&#x0364;he unglaubliches Kopfzerbrechen                         gekostet haben, denn sie war ku&#x0364;nstlich und sinnreich. Jch will sie im                         zweiten Versuche beschreiben. </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0058] Jch schreibe: kleine Beobachtungen. Denn ich will hier die kleine Muͤnze einzelner Erfahrung so lange sammeln, bis ich sie in Goldstuͤcke allgemeiner Anmerkungen umsetzen, und diese zu dem wichtigen Kapitale gedachter Resultate schlagen kann. Von meinem Schwiegervater Heinike, und durch eignes Studium und unablaͤssigen Selbsteifer aͤrndtete ich viele Erfahrung in meinem Fache. Des darf ich mich wohl ruͤhmen, ohne den Fehler der Aufgeblasenheit mir auf die Schultern zu buͤrden. Lebrecht F. ein Zoͤgling im Jnstitute zu Leipzig, war 15 1/2 Jahr alt, als er in das Jnstitut kam. Er hat in der zartesten Jugend, ehe er die Sprache noch fassen konnte, das Gehoͤr durch die Pocken verloren. Beim ersten Blick sieht man es ihm an, daß sein Koͤrper von einer thaͤtigen Seele bewohnt wird. Sein Geschaͤftigkeitstrieb ist ausserordentlich. Sich die Zeit zu kuͤrzen, sann er darauf, Fliegen und Floͤhe zu verbannen, Voͤgel und Fische hingegen auf eine schlaue Art zu fangen. Besonders mußte ihm die Verbannung der Floͤhe unglaubliches Kopfzerbrechen gekostet haben, denn sie war kuͤnstlich und sinnreich. Jch will sie im zweiten Versuche beschreiben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/58
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/58>, abgerufen am 25.05.2024.