Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.9. Rath der Mystik wider die Schwärmereien der Einbildungskraft. Diesen Rath, welcher freilich sonderbar genug ist, enthält folgender Brief des Hrn. an einen seiner geistlichen Zöglinge, der ihm berichtet hatte, daß er eine Aenderung in seinem Jnnern erfahre, indem ihn eine Menge zerstreuender Gedanken beunruhigten. Er antwortet demselben darauf, daß auf die Tröstungen und Süßigkeiten v. F...jederzeit Trockenheiten und Zerstreuungen der Gedanken folgten, indem man über die flüchtige Einbildungskraft nicht Meister werden könne. Dies findet überhaupt im menschlichen Leben statt, und der Verfasser des folgenden Briefes scheint nicht Unrecht zu haben, wenn er den Grund davon darin sucht, daß man über die flüchtige Einbildungskraft nicht Meister werden könne. Denn das Würkliche und dessen Verhältniß gegen uns kann immer noch dasselbe seyn und gleichwohl einen ganz verschiedenen Eindruck auf uns machen, je nachdem unsre Einbildungskraft der Vorstellung von dem gegenwärtigen Würklichen andere angenehmere oder unangenehmere Vorstellungen an die Seite setzt, und sie hiermit vergleicht. 9. Rath der Mystik wider die Schwaͤrmereien der Einbildungskraft. Diesen Rath, welcher freilich sonderbar genug ist, enthaͤlt folgender Brief des Hrn. an einen seiner geistlichen Zoͤglinge, der ihm berichtet hatte, daß er eine Aenderung in seinem Jnnern erfahre, indem ihn eine Menge zerstreuender Gedanken beunruhigten. Er antwortet demselben darauf, daß auf die Troͤstungen und Suͤßigkeiten v. F...jederzeit Trockenheiten und Zerstreuungen der Gedanken folgten, indem man uͤber die fluͤchtige Einbildungskraft nicht Meister werden koͤnne. Dies findet uͤberhaupt im menschlichen Leben statt, und der Verfasser des folgenden Briefes scheint nicht Unrecht zu haben, wenn er den Grund davon darin sucht, daß man uͤber die fluͤchtige Einbildungskraft nicht Meister werden koͤnne. Denn das Wuͤrkliche und dessen Verhaͤltniß gegen uns kann immer noch dasselbe seyn und gleichwohl einen ganz verschiedenen Eindruck auf uns machen, je nachdem unsre Einbildungskraft der Vorstellung von dem gegenwaͤrtigen Wuͤrklichen andere angenehmere oder unangenehmere Vorstellungen an die Seite setzt, und sie hiermit vergleicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0080" n="78"/><lb/><lb/> </div> <div n="3"> <head>9. Rath der Mystik wider die Schwaͤrmereien der Einbildungskraft.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref1"><note type="editorial"/><Moritz, Karl Philipp></persName> </bibl> </note> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref11"><note type="editorial"/>F<leischbein, Johann Friedrich von></persName> </bibl> </note> <p>Diesen Rath, welcher freilich sonderbar genug ist, enthaͤlt folgender Brief des Hrn. <persName ref="#ref11"><note type="editorial">Fleischbein</note>v. F...</persName> an einen seiner geistlichen Zoͤglinge, der ihm berichtet hatte, daß er eine Aenderung in seinem Jnnern erfahre, indem ihn eine Menge zerstreuender Gedanken beunruhigten. Er antwortet demselben darauf, daß auf die Troͤstungen und Suͤßigkeiten <hi rendition="#b">jederzeit</hi> Trockenheiten und Zerstreuungen der Gedanken folgten, indem man uͤber die fluͤchtige Einbildungskraft nicht Meister werden koͤnne. </p> <p>Dies findet uͤberhaupt im menschlichen Leben statt, und der Verfasser des folgenden Briefes scheint nicht Unrecht zu haben, wenn er den Grund davon darin sucht, daß man uͤber die fluͤchtige Einbildungskraft nicht Meister werden koͤnne. Denn das Wuͤrkliche und dessen Verhaͤltniß gegen uns kann immer noch dasselbe seyn und gleichwohl einen ganz verschiedenen Eindruck auf uns machen, je nachdem unsre Einbildungskraft der Vorstellung von dem gegenwaͤrtigen Wuͤrklichen andere angenehmere oder unangenehmere Vorstellungen an die Seite setzt, und sie hiermit vergleicht. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0080]
9. Rath der Mystik wider die Schwaͤrmereien der Einbildungskraft.
Diesen Rath, welcher freilich sonderbar genug ist, enthaͤlt folgender Brief des Hrn. v. F... an einen seiner geistlichen Zoͤglinge, der ihm berichtet hatte, daß er eine Aenderung in seinem Jnnern erfahre, indem ihn eine Menge zerstreuender Gedanken beunruhigten. Er antwortet demselben darauf, daß auf die Troͤstungen und Suͤßigkeiten jederzeit Trockenheiten und Zerstreuungen der Gedanken folgten, indem man uͤber die fluͤchtige Einbildungskraft nicht Meister werden koͤnne.
Dies findet uͤberhaupt im menschlichen Leben statt, und der Verfasser des folgenden Briefes scheint nicht Unrecht zu haben, wenn er den Grund davon darin sucht, daß man uͤber die fluͤchtige Einbildungskraft nicht Meister werden koͤnne. Denn das Wuͤrkliche und dessen Verhaͤltniß gegen uns kann immer noch dasselbe seyn und gleichwohl einen ganz verschiedenen Eindruck auf uns machen, je nachdem unsre Einbildungskraft der Vorstellung von dem gegenwaͤrtigen Wuͤrklichen andere angenehmere oder unangenehmere Vorstellungen an die Seite setzt, und sie hiermit vergleicht.
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