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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

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Hier saß ich nun zwar so, daß ich mich wegen des Herunterfallens sicher glaubte, aber nun trat ein andrer gefährlicher Umstand ein.

Wenn nehmlich der Wagen ein wenig schief gieng, so befürchtete ich dessen Umsturz und fieng daher laut an zu schreien, rief dem Fuhrmann zu und bat ihn flehentlich, stille zu halten.

So oft ich nun aber schrie, machte mich meine Mutter mit dem Scheuwerden der Pferde bange, und machte mir eine so erschreckliche Beschreibung davon, daß ich dieserwegen nicht weniger als wegen des Umwerfens, und also auf diesem ganzen Wege in einer doppelten Furcht schwebte, weil ich, wenn der Wagen schief gieng, mich selbst zu schreien fürchten mußte, um die Pferde nicht scheu zu machen.

Wie wir nun an Ort und Stelle waren, so fielen zwar die furchterregenden Dinge weg. Es war auf dem Lande, wir wohnten in einem Bauerhause an der Erde, über unsrer Wohnung war kein lärmiger Boden, die Jdee von dem Einstürzen des Hauses kam mir aus dem Sinn; ich kam unter mehrere Kinder, sah diese gefährliche Dinge vornehmen, und wurde ziemlich furchtloß.

Die Bilder aber von dem eingestürzten Stück Mauer, und dem Frachtwagen, haben sich nachher meiner Vorstellung beständig wieder aufgedrängt, so oft ich durch etwas in Furcht oder Schrecken gesetzt worden bin. --



Hier saß ich nun zwar so, daß ich mich wegen des Herunterfallens sicher glaubte, aber nun trat ein andrer gefaͤhrlicher Umstand ein.

Wenn nehmlich der Wagen ein wenig schief gieng, so befuͤrchtete ich dessen Umsturz und fieng daher laut an zu schreien, rief dem Fuhrmann zu und bat ihn flehentlich, stille zu halten.

So oft ich nun aber schrie, machte mich meine Mutter mit dem Scheuwerden der Pferde bange, und machte mir eine so erschreckliche Beschreibung davon, daß ich dieserwegen nicht weniger als wegen des Umwerfens, und also auf diesem ganzen Wege in einer doppelten Furcht schwebte, weil ich, wenn der Wagen schief gieng, mich selbst zu schreien fuͤrchten mußte, um die Pferde nicht scheu zu machen.

Wie wir nun an Ort und Stelle waren, so fielen zwar die furchterregenden Dinge weg. Es war auf dem Lande, wir wohnten in einem Bauerhause an der Erde, uͤber unsrer Wohnung war kein laͤrmiger Boden, die Jdee von dem Einstuͤrzen des Hauses kam mir aus dem Sinn; ich kam unter mehrere Kinder, sah diese gefaͤhrliche Dinge vornehmen, und wurde ziemlich furchtloß.

Die Bilder aber von dem eingestuͤrzten Stuͤck Mauer, und dem Frachtwagen, haben sich nachher meiner Vorstellung bestaͤndig wieder aufgedraͤngt, so oft ich durch etwas in Furcht oder Schrecken gesetzt worden bin. —


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[88/0090] Hier saß ich nun zwar so, daß ich mich wegen des Herunterfallens sicher glaubte, aber nun trat ein andrer gefaͤhrlicher Umstand ein. Wenn nehmlich der Wagen ein wenig schief gieng, so befuͤrchtete ich dessen Umsturz und fieng daher laut an zu schreien, rief dem Fuhrmann zu und bat ihn flehentlich, stille zu halten. So oft ich nun aber schrie, machte mich meine Mutter mit dem Scheuwerden der Pferde bange, und machte mir eine so erschreckliche Beschreibung davon, daß ich dieserwegen nicht weniger als wegen des Umwerfens, und also auf diesem ganzen Wege in einer doppelten Furcht schwebte, weil ich, wenn der Wagen schief gieng, mich selbst zu schreien fuͤrchten mußte, um die Pferde nicht scheu zu machen. Wie wir nun an Ort und Stelle waren, so fielen zwar die furchterregenden Dinge weg. Es war auf dem Lande, wir wohnten in einem Bauerhause an der Erde, uͤber unsrer Wohnung war kein laͤrmiger Boden, die Jdee von dem Einstuͤrzen des Hauses kam mir aus dem Sinn; ich kam unter mehrere Kinder, sah diese gefaͤhrliche Dinge vornehmen, und wurde ziemlich furchtloß. Die Bilder aber von dem eingestuͤrzten Stuͤck Mauer, und dem Frachtwagen, haben sich nachher meiner Vorstellung bestaͤndig wieder aufgedraͤngt, so oft ich durch etwas in Furcht oder Schrecken gesetzt worden bin. —

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/90>, abgerufen am 18.05.2024.