Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.
Herr Professor Herz führt noch eine Erscheinung von dieser Art an, die er auf eine ähnliche Weise erklärt. Jch will mich hier in keine umständliche Beleuchtung dieser Erklärungsart einlassen, und bemerke nur, daß ich den Unterschied zwischen den verschiednen Arten sinnlicher Vorstellungen in Ansehung ihrer Dauer nicht einsehen kann. Die Dauer ist die Existenz eines Dinges zu verschiednen Zeiten. Nun hat aber eine Vorstellung sowohl, als die ihr correspondierende unmittelbare Wahrnehmung nur so viel Dauer, als zu ihrer Apprehension, d.h. zur Zusammennehmung und Ordnung ihrer Theile zu einem Ganzen, nöthig ist; sobald dieses Geschäft zu Ende ist, ist auch die Vorstellung zu Ende; wird diese Operation wiederholt, so entstehet eine der vorigen ähnliche Vorstellung, die aber dennoch ihre eigene Existenz hat, indem die Verschiedenheit der Zeit bei aller wesentlichen Jdentität die Verschiedenheit der Existenz ausmacht. Das Object mag immer (als Substanz) eine Dauer haben; seine aufeinander folgenden Eindrücke auf uns mögen immer einartig seyn; so müssen doch diese Eindrücke, und folglich auch die aus ihnen entspringenden Vorstellungen, ihrer Existenz nach
Herr Professor Herz fuͤhrt noch eine Erscheinung von dieser Art an, die er auf eine aͤhnliche Weise erklaͤrt. Jch will mich hier in keine umstaͤndliche Beleuchtung dieser Erklaͤrungsart einlassen, und bemerke nur, daß ich den Unterschied zwischen den verschiednen Arten sinnlicher Vorstellungen in Ansehung ihrer Dauer nicht einsehen kann. Die Dauer ist die Existenz eines Dinges zu verschiednen Zeiten. Nun hat aber eine Vorstellung sowohl, als die ihr correspondierende unmittelbare Wahrnehmung nur so viel Dauer, als zu ihrer Apprehension, d.h. zur Zusammennehmung und Ordnung ihrer Theile zu einem Ganzen, noͤthig ist; sobald dieses Geschaͤft zu Ende ist, ist auch die Vorstellung zu Ende; wird diese Operation wiederholt, so entstehet eine der vorigen aͤhnliche Vorstellung, die aber dennoch ihre eigene Existenz hat, indem die Verschiedenheit der Zeit bei aller wesentlichen Jdentitaͤt die Verschiedenheit der Existenz ausmacht. Das Object mag immer (als Substanz) eine Dauer haben; seine aufeinander folgenden Eindruͤcke auf uns moͤgen immer einartig seyn; so muͤssen doch diese Eindruͤcke, und folglich auch die aus ihnen entspringenden Vorstellungen, ihrer Existenz nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0010" n="10"/><lb/> des Gehoͤrs die verlangte Wirkung (Hervorbringung eines Worts) verursachen.« </p> <p><hi rendition="#b">Herr Professor Herz</hi> fuͤhrt noch eine Erscheinung von dieser Art an, die er auf eine aͤhnliche Weise erklaͤrt. </p> <p>Jch will mich hier in keine umstaͤndliche Beleuchtung dieser Erklaͤrungsart einlassen, und bemerke nur, daß ich den Unterschied zwischen den verschiednen Arten sinnlicher Vorstellungen in Ansehung ihrer Dauer nicht einsehen kann. </p> <p>Die Dauer ist <hi rendition="#b">die Existenz eines Dinges zu verschiednen Zeiten.</hi> Nun hat aber eine Vorstellung sowohl, als die ihr correspondierende unmittelbare Wahrnehmung nur so viel Dauer, als zu ihrer <hi rendition="#b">Apprehension,</hi> d.h. zur Zusammennehmung und Ordnung ihrer Theile zu einem Ganzen, noͤthig ist; sobald dieses Geschaͤft zu Ende ist, ist auch die Vorstellung zu Ende; wird diese Operation wiederholt, so entstehet eine der vorigen aͤhnliche Vorstellung, die aber dennoch ihre eigene Existenz hat, indem die Verschiedenheit der Zeit bei aller wesentlichen Jdentitaͤt die Verschiedenheit der Existenz ausmacht. </p> <p>Das Object mag immer (als Substanz) eine Dauer haben; seine aufeinander folgenden Eindruͤcke auf uns moͤgen immer einartig seyn; so muͤssen doch diese Eindruͤcke, und folglich auch die aus ihnen entspringenden Vorstellungen, <hi rendition="#b">ihrer Existenz nach</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0010]
des Gehoͤrs die verlangte Wirkung (Hervorbringung eines Worts) verursachen.«
Herr Professor Herz fuͤhrt noch eine Erscheinung von dieser Art an, die er auf eine aͤhnliche Weise erklaͤrt.
Jch will mich hier in keine umstaͤndliche Beleuchtung dieser Erklaͤrungsart einlassen, und bemerke nur, daß ich den Unterschied zwischen den verschiednen Arten sinnlicher Vorstellungen in Ansehung ihrer Dauer nicht einsehen kann.
Die Dauer ist die Existenz eines Dinges zu verschiednen Zeiten. Nun hat aber eine Vorstellung sowohl, als die ihr correspondierende unmittelbare Wahrnehmung nur so viel Dauer, als zu ihrer Apprehension, d.h. zur Zusammennehmung und Ordnung ihrer Theile zu einem Ganzen, noͤthig ist; sobald dieses Geschaͤft zu Ende ist, ist auch die Vorstellung zu Ende; wird diese Operation wiederholt, so entstehet eine der vorigen aͤhnliche Vorstellung, die aber dennoch ihre eigene Existenz hat, indem die Verschiedenheit der Zeit bei aller wesentlichen Jdentitaͤt die Verschiedenheit der Existenz ausmacht.
Das Object mag immer (als Substanz) eine Dauer haben; seine aufeinander folgenden Eindruͤcke auf uns moͤgen immer einartig seyn; so muͤssen doch diese Eindruͤcke, und folglich auch die aus ihnen entspringenden Vorstellungen, ihrer Existenz nach
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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