Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.
Die Erklärung dieser Erscheinung ist nach dem Herrn Professor Herz in Kurzem diese: "Zum Aussprechen oder Hervorbringen eines Worts ist nothwendig, daß die Vorstellung desselben in der Seele vorgehe. Diese Vorstellung muß unter gewissen Umständen einen gewissen Grad von Stärke haben. Ferner, die Wirksamkeit einer Vorstellung hängt von zwei Ursachen ab, von ihrer Lebhaftigkeit und von ihrer Dauer." "Jn Ansehung der Lebhaftigkeit giebt es keine wesentliche Verschiedenheit unter den verschiednen sinnlichen Vorstellungen; in Ansehung der Dauer aber, ist vorzüglich eine Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen des Gesichts und den des Gehörs zu bemerken, indem die Wahrnehmungen des erstern viel dauerhafter, als die des leztern sind; folglich muß auch die Wirkung jener viel stärker, als die Wirkung dieser seyn." "Bei diesem Manne also, dessen Sprachorgane zum Theil gelähmet waren, konnte nur die stärkere Vorstellung des Gesichts, nicht aber die schwächere
Die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist nach dem Herrn Professor Herz in Kurzem diese: »Zum Aussprechen oder Hervorbringen eines Worts ist nothwendig, daß die Vorstellung desselben in der Seele vorgehe. Diese Vorstellung muß unter gewissen Umstaͤnden einen gewissen Grad von Staͤrke haben. Ferner, die Wirksamkeit einer Vorstellung haͤngt von zwei Ursachen ab, von ihrer Lebhaftigkeit und von ihrer Dauer.« »Jn Ansehung der Lebhaftigkeit giebt es keine wesentliche Verschiedenheit unter den verschiednen sinnlichen Vorstellungen; in Ansehung der Dauer aber, ist vorzuͤglich eine Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen des Gesichts und den des Gehoͤrs zu bemerken, indem die Wahrnehmungen des erstern viel dauerhafter, als die des leztern sind; folglich muß auch die Wirkung jener viel staͤrker, als die Wirkung dieser seyn.« »Bei diesem Manne also, dessen Sprachorgane zum Theil gelaͤhmet waren, konnte nur die staͤrkere Vorstellung des Gesichts, nicht aber die schwaͤchere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0009" n="9"/><lb/> schlechterdings nicht im Stande irgend ein Wort deutlich und vernehmlich hervorzubringen, weder von selbst aus eignem Triebe, noch wenn man ihm die Worte laut und langsam vorsagte; hingegen konnte er sehr fertig lesen, so daß man, wenn er laut las, kaum einen Fehler an seinen Sprachorganen bemerkte. </p> <p>Die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist nach dem Herrn <hi rendition="#b">Professor <persName ref="#ref22"><note type="editorial">Herz, Markus</note>Herz</persName> </hi> in Kurzem diese: </p> <p>»Zum Aussprechen oder Hervorbringen eines Worts ist nothwendig, daß die Vorstellung desselben in der Seele vorgehe. Diese Vorstellung muß unter gewissen Umstaͤnden einen gewissen Grad von Staͤrke haben. Ferner, die Wirksamkeit einer Vorstellung haͤngt von zwei Ursachen ab, von ihrer <hi rendition="#b">Lebhaftigkeit</hi> und von ihrer <hi rendition="#b">Dauer</hi>.«</p> <p>»Jn Ansehung der Lebhaftigkeit giebt es keine wesentliche Verschiedenheit unter den verschiednen sinnlichen Vorstellungen; in Ansehung der Dauer aber, ist vorzuͤglich eine Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen des Gesichts und den des Gehoͤrs zu bemerken, indem die Wahrnehmungen des erstern viel dauerhafter, als die des leztern sind; folglich muß auch die Wirkung jener viel staͤrker, als die Wirkung dieser seyn.« </p> <p>»Bei diesem Manne also, dessen Sprachorgane zum Theil gelaͤhmet waren, konnte nur die staͤrkere Vorstellung des Gesichts, nicht aber die schwaͤchere<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
schlechterdings nicht im Stande irgend ein Wort deutlich und vernehmlich hervorzubringen, weder von selbst aus eignem Triebe, noch wenn man ihm die Worte laut und langsam vorsagte; hingegen konnte er sehr fertig lesen, so daß man, wenn er laut las, kaum einen Fehler an seinen Sprachorganen bemerkte.
Die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist nach dem Herrn Professor Herz in Kurzem diese:
»Zum Aussprechen oder Hervorbringen eines Worts ist nothwendig, daß die Vorstellung desselben in der Seele vorgehe. Diese Vorstellung muß unter gewissen Umstaͤnden einen gewissen Grad von Staͤrke haben. Ferner, die Wirksamkeit einer Vorstellung haͤngt von zwei Ursachen ab, von ihrer Lebhaftigkeit und von ihrer Dauer.«
»Jn Ansehung der Lebhaftigkeit giebt es keine wesentliche Verschiedenheit unter den verschiednen sinnlichen Vorstellungen; in Ansehung der Dauer aber, ist vorzuͤglich eine Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen des Gesichts und den des Gehoͤrs zu bemerken, indem die Wahrnehmungen des erstern viel dauerhafter, als die des leztern sind; folglich muß auch die Wirkung jener viel staͤrker, als die Wirkung dieser seyn.«
»Bei diesem Manne also, dessen Sprachorgane zum Theil gelaͤhmet waren, konnte nur die staͤrkere Vorstellung des Gesichts, nicht aber die schwaͤchere
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