Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Er dachte sich eine Art von falscher täuschender Bildung in das Chaos hinein, welche im Nu wieder zum Traume und Blendwerke wurde; eine Bildung die weit schöner, als die wirkliche, aber eben deswegen von keinem Bestande, und keiner Dauer war.

Eine falsche Sonne stieg am Horizonte herauf, und kündigte einen glänzenden Tag an. --

Der bodenlose Morast überzog sich unter ihrem trügerischen Einflusse mit einer Kruste auf welcher Blumen sproßten, Quellen rauschten; plötzlich arbeiteten sich die entgegenstrebenden Kräfte empor, der Sturm heulte aus dem Abgrunde, die Finsterniß brach mit allen ihren Schrecknissen aus ihrem verborgenen Hinterhalte hervor, und verschlang den neugebornen Tag wieder in ein furchtbares Grab.

Die immer in sich selbst zurückgedrängten Kräfte bearbeiteten sich mit Grimm nach allen Seiten sich auszudehnen, und seufzten unter dem lastenden Widerstande.

Die Wasserwogen krümmten sich und klagten unter dem heulenden Windstoße.

Jn der Tiefe brüllten die eingeschlossenen Flammen, das Erdreich das sich hob, der Felsen der sich gründete, versanken mit donnerndem Getöse wieder in den alles verschlingenden Abgrund. --

Mit dergleichen ungeheuren Bildern, zerarbeitete sich R...s Phantasie in den Stunden, wo sein Jnnres selbst ein Chaos war, in welchem der


Er dachte sich eine Art von falscher taͤuschender Bildung in das Chaos hinein, welche im Nu wieder zum Traume und Blendwerke wurde; eine Bildung die weit schoͤner, als die wirkliche, aber eben deswegen von keinem Bestande, und keiner Dauer war.

Eine falsche Sonne stieg am Horizonte herauf, und kuͤndigte einen glaͤnzenden Tag an. —

Der bodenlose Morast uͤberzog sich unter ihrem truͤgerischen Einflusse mit einer Kruste auf welcher Blumen sproßten, Quellen rauschten; ploͤtzlich arbeiteten sich die entgegenstrebenden Kraͤfte empor, der Sturm heulte aus dem Abgrunde, die Finsterniß brach mit allen ihren Schrecknissen aus ihrem verborgenen Hinterhalte hervor, und verschlang den neugebornen Tag wieder in ein furchtbares Grab.

Die immer in sich selbst zuruͤckgedraͤngten Kraͤfte bearbeiteten sich mit Grimm nach allen Seiten sich auszudehnen, und seufzten unter dem lastenden Widerstande.

Die Wasserwogen kruͤmmten sich und klagten unter dem heulenden Windstoße.

Jn der Tiefe bruͤllten die eingeschlossenen Flammen, das Erdreich das sich hob, der Felsen der sich gruͤndete, versanken mit donnerndem Getoͤse wieder in den alles verschlingenden Abgrund. —

Mit dergleichen ungeheuren Bildern, zerarbeitete sich R...s Phantasie in den Stunden, wo sein Jnnres selbst ein Chaos war, in welchem der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0119" n="119"/><lb/>
            <p>Er dachte sich eine Art von falscher ta&#x0364;uschender Bildung in das Chaos hinein,                         welche im Nu wieder zum Traume und Blendwerke wurde; eine Bildung die weit                         scho&#x0364;ner, als die wirkliche, aber eben deswegen von keinem Bestande, und                         keiner Dauer war. </p>
            <p>Eine falsche Sonne stieg am Horizonte herauf, und ku&#x0364;ndigte einen gla&#x0364;nzenden                         Tag an. &#x2014; </p>
            <p>Der bodenlose Morast u&#x0364;berzog sich unter ihrem tru&#x0364;gerischen Einflusse mit                         einer Kruste auf welcher Blumen sproßten, Quellen rauschten; plo&#x0364;tzlich                         arbeiteten sich die entgegenstrebenden Kra&#x0364;fte empor, der Sturm heulte aus                         dem Abgrunde, die Finsterniß brach mit allen ihren Schrecknissen aus ihrem                         verborgenen Hinterhalte hervor, und verschlang den neugebornen Tag wieder in                         ein furchtbares Grab. </p>
            <p>Die immer in sich selbst zuru&#x0364;ckgedra&#x0364;ngten Kra&#x0364;fte bearbeiteten sich mit Grimm                         nach allen Seiten sich auszudehnen, und seufzten unter dem lastenden                         Widerstande. </p>
            <p>Die Wasserwogen kru&#x0364;mmten sich und klagten unter dem heulenden Windstoße. </p>
            <p>Jn der Tiefe bru&#x0364;llten die eingeschlossenen Flammen, das Erdreich das sich                         hob, der Felsen der sich gru&#x0364;ndete, versanken mit donnerndem Geto&#x0364;se wieder in                         den alles verschlingenden Abgrund. &#x2014; </p>
            <p>Mit dergleichen ungeheuren Bildern, zerarbeitete sich R...s Phantasie in den                         Stunden, wo sein Jnnres selbst ein Chaos war, in welchem der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0119] Er dachte sich eine Art von falscher taͤuschender Bildung in das Chaos hinein, welche im Nu wieder zum Traume und Blendwerke wurde; eine Bildung die weit schoͤner, als die wirkliche, aber eben deswegen von keinem Bestande, und keiner Dauer war. Eine falsche Sonne stieg am Horizonte herauf, und kuͤndigte einen glaͤnzenden Tag an. — Der bodenlose Morast uͤberzog sich unter ihrem truͤgerischen Einflusse mit einer Kruste auf welcher Blumen sproßten, Quellen rauschten; ploͤtzlich arbeiteten sich die entgegenstrebenden Kraͤfte empor, der Sturm heulte aus dem Abgrunde, die Finsterniß brach mit allen ihren Schrecknissen aus ihrem verborgenen Hinterhalte hervor, und verschlang den neugebornen Tag wieder in ein furchtbares Grab. Die immer in sich selbst zuruͤckgedraͤngten Kraͤfte bearbeiteten sich mit Grimm nach allen Seiten sich auszudehnen, und seufzten unter dem lastenden Widerstande. Die Wasserwogen kruͤmmten sich und klagten unter dem heulenden Windstoße. Jn der Tiefe bruͤllten die eingeschlossenen Flammen, das Erdreich das sich hob, der Felsen der sich gruͤndete, versanken mit donnerndem Getoͤse wieder in den alles verschlingenden Abgrund. — Mit dergleichen ungeheuren Bildern, zerarbeitete sich R...s Phantasie in den Stunden, wo sein Jnnres selbst ein Chaos war, in welchem der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/119
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/119>, abgerufen am 24.11.2024.