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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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tag. Dieß ist der Lauf der Welt, und die Jdee die sich der Gelehrte in seinem Studierzimmer von diesen Dingen macht, ist himmelweit von dem unterschieden was man siehet, wenn man nahe dabei ist. Das schlimmste bei der Sache ist noch, daß die wenigen guten Köpfe, die vielleicht im Stande wären, solche idealisirte Vorschläge auszuführen, von ihren übrigen Mitarbeitern verlacht und muthlos gemacht werden.

S. 4. Jch kenne die Toskanischen Zuchthäuser nur aus der Beschreibung meines Freundes Howard, und dieser hat sich mehr um die Gefängnisse als um die Zuchthäuser bekümmert, allein künftiges Jahr bin ich gesonnen sie selbst zu besuchen. Jndessen habe ich in einem andern Lande 10 Jahre lang verschiedene Zuchthäuser unter meiner Aufsicht gehabt, und weiß nur ein einziges Beispiel von einem jungen Menschen, der würklich darinn gebessert worden wäre, alle übrigen sind vielleicht noch böser darin geworden.

Jch gestehe daß die Einrichtung dieser Zuchthäuser äusserst elend war, aber ich war nicht im Stande sie auf bessern Fuß zu setzen. Jch hätte sie ganz und gar umschaffen müssen, und da stehen einem Zeit und Umstände immer im Wege. Der Mann im Amte hängt mehr von äussern Dingen ab, und alles Neuerungenmachen wird ihm schwieriger, als man es sich in seiner Studierstube wohl vorstellt.



tag. Dieß ist der Lauf der Welt, und die Jdee die sich der Gelehrte in seinem Studierzimmer von diesen Dingen macht, ist himmelweit von dem unterschieden was man siehet, wenn man nahe dabei ist. Das schlimmste bei der Sache ist noch, daß die wenigen guten Koͤpfe, die vielleicht im Stande waͤren, solche idealisirte Vorschlaͤge auszufuͤhren, von ihren uͤbrigen Mitarbeitern verlacht und muthlos gemacht werden.

S. 4. Jch kenne die Toskanischen Zuchthaͤuser nur aus der Beschreibung meines Freundes Howard, und dieser hat sich mehr um die Gefaͤngnisse als um die Zuchthaͤuser bekuͤmmert, allein kuͤnftiges Jahr bin ich gesonnen sie selbst zu besuchen. Jndessen habe ich in einem andern Lande 10 Jahre lang verschiedene Zuchthaͤuser unter meiner Aufsicht gehabt, und weiß nur ein einziges Beispiel von einem jungen Menschen, der wuͤrklich darinn gebessert worden waͤre, alle uͤbrigen sind vielleicht noch boͤser darin geworden.

Jch gestehe daß die Einrichtung dieser Zuchthaͤuser aͤusserst elend war, aber ich war nicht im Stande sie auf bessern Fuß zu setzen. Jch haͤtte sie ganz und gar umschaffen muͤssen, und da stehen einem Zeit und Umstaͤnde immer im Wege. Der Mann im Amte haͤngt mehr von aͤussern Dingen ab, und alles Neuerungenmachen wird ihm schwieriger, als man es sich in seiner Studierstube wohl vorstellt.


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[67/0067] tag. Dieß ist der Lauf der Welt, und die Jdee die sich der Gelehrte in seinem Studierzimmer von diesen Dingen macht, ist himmelweit von dem unterschieden was man siehet, wenn man nahe dabei ist. Das schlimmste bei der Sache ist noch, daß die wenigen guten Koͤpfe, die vielleicht im Stande waͤren, solche idealisirte Vorschlaͤge auszufuͤhren, von ihren uͤbrigen Mitarbeitern verlacht und muthlos gemacht werden. S. 4. Jch kenne die Toskanischen Zuchthaͤuser nur aus der Beschreibung meines Freundes Howard, und dieser hat sich mehr um die Gefaͤngnisse als um die Zuchthaͤuser bekuͤmmert, allein kuͤnftiges Jahr bin ich gesonnen sie selbst zu besuchen. Jndessen habe ich in einem andern Lande 10 Jahre lang verschiedene Zuchthaͤuser unter meiner Aufsicht gehabt, und weiß nur ein einziges Beispiel von einem jungen Menschen, der wuͤrklich darinn gebessert worden waͤre, alle uͤbrigen sind vielleicht noch boͤser darin geworden. Jch gestehe daß die Einrichtung dieser Zuchthaͤuser aͤusserst elend war, aber ich war nicht im Stande sie auf bessern Fuß zu setzen. Jch haͤtte sie ganz und gar umschaffen muͤssen, und da stehen einem Zeit und Umstaͤnde immer im Wege. Der Mann im Amte haͤngt mehr von aͤussern Dingen ab, und alles Neuerungenmachen wird ihm schwieriger, als man es sich in seiner Studierstube wohl vorstellt.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/67>, abgerufen am 23.11.2024.