Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0090" n="90"/><lb/> ein Zimmer eingeschlossen, das mir noch jetzt vollkommen gegenwaͤrtig ist; vorzuͤglich denke ich sehr lebhaft an ein Klavier, woran ich mich lehnte, mit dem Kopfe in den Haͤnden, und in der Trunkenheit meines Schmerzes, oder vielmehr meiner kindischen Empfindlichkeit. Selbst den Gang meiner damaligen Jdeen weiß ich noch sehr wohl. Mein erster Gedanke war ein lebhafter Wunsch, daß meine Eltern jetzt sterben moͤchten. Jnzwischen war ich so weit von jedem Gedanken an Vatermord entfernt, daß vielmehr eben der aͤusserst geringe Grad von Wahrscheinlichkeit, (meine Eltern waren damals noch jung und gesund) sogleich diesen Wunsch entfernte, um einem andern Platz zu machen: ich wuͤnschte meinen eigenen Tod. Jch kannte die Zaͤrtlichkeit meiner Eltern fuͤr mich. Jch war uͤberzeugt, daß mein Tod die heftigste Strafe fuͤr die Ungerechtigkeit seyn muͤßte, welche sie an mir veruͤbt hatten; und der Gedanke, mir selbst das Leben zu rauben, hatte eine ganz andre Wuͤrkung auf mich, als jener erste Wunsch nach dem Tode meiner Eltern gehabt hatte. So unzugaͤnglich ich jeder Jdee gewesen war, den Tod meiner Eltern selbst zu veruͤben, so heftig fuͤhlte ich mich zum Selbstmorde aus innerem Wohlgefallen angezogen. Nur die Mittel machten mich verlegen; und ich stand in Gedanken vertieft, um welche zu ersinnen, als man, nach Verlauf einer halben Stunde kommt, um mich aus meinem Gefaͤngnisse zu entlassen. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0090]
ein Zimmer eingeschlossen, das mir noch jetzt vollkommen gegenwaͤrtig ist; vorzuͤglich denke ich sehr lebhaft an ein Klavier, woran ich mich lehnte, mit dem Kopfe in den Haͤnden, und in der Trunkenheit meines Schmerzes, oder vielmehr meiner kindischen Empfindlichkeit. Selbst den Gang meiner damaligen Jdeen weiß ich noch sehr wohl. Mein erster Gedanke war ein lebhafter Wunsch, daß meine Eltern jetzt sterben moͤchten. Jnzwischen war ich so weit von jedem Gedanken an Vatermord entfernt, daß vielmehr eben der aͤusserst geringe Grad von Wahrscheinlichkeit, (meine Eltern waren damals noch jung und gesund) sogleich diesen Wunsch entfernte, um einem andern Platz zu machen: ich wuͤnschte meinen eigenen Tod. Jch kannte die Zaͤrtlichkeit meiner Eltern fuͤr mich. Jch war uͤberzeugt, daß mein Tod die heftigste Strafe fuͤr die Ungerechtigkeit seyn muͤßte, welche sie an mir veruͤbt hatten; und der Gedanke, mir selbst das Leben zu rauben, hatte eine ganz andre Wuͤrkung auf mich, als jener erste Wunsch nach dem Tode meiner Eltern gehabt hatte. So unzugaͤnglich ich jeder Jdee gewesen war, den Tod meiner Eltern selbst zu veruͤben, so heftig fuͤhlte ich mich zum Selbstmorde aus innerem Wohlgefallen angezogen. Nur die Mittel machten mich verlegen; und ich stand in Gedanken vertieft, um welche zu ersinnen, als man, nach Verlauf einer halben Stunde kommt, um mich aus meinem Gefaͤngnisse zu entlassen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |