Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


unsre Brüder seyn, und weniger uns selbst beipflichten.

Wie nun aber das Gesetz der Stättigkeit in der Körperwelt ausgebreitet ist, so findet es auch bei den Geistern statt, und in unserm Falle können wir von den unkenntlichsten Spuren, durch unzählige Verblasungen bis zu den härtesten Zügen fortsteigen, und nicht allein der analogische Exempelschluß, sondern auch eine aufmerksame Beobachtung, und auf Versuche angewandte kalte Aufmerksamkeit, wird uns bei dem offenbar Närrischen völlig das, und nichts mehr zeigen, was wir bei jedem Menschen wahrnehmen.

Jch habe zu genauerm Unterschiede angenommen, daß die Krankheit dieser Leute blos Seelenkrankheit sey. Wir bleiben für jetzt noch dabei, um mit ihrer Bezeichnung desto ungehinderter zu Stande kommen zu können.

Sollte man wohl leugnen können, daß die Reihe der Jdeen, die ein Mensch sein ganzes Leben hindurch fortsetzt, aus andern als aus geselligen Jdeen gebildet werde? Schon Leibnitz hat das behauptet, und man wird, so viel Mühe man sich auch geben mag ihm zu widersprechen, diesen Grundsatz doch schwerlich aufheben können. Er hat mir wahr geschienen, schon ehe ich wußte daß Leibnitz ihn angenommen.*) Jch habe mich bemüht ihn

*) Ohne daß ich deswegen seiner Harmonie beifalle.


unsre Bruͤder seyn, und weniger uns selbst beipflichten.

Wie nun aber das Gesetz der Staͤttigkeit in der Koͤrperwelt ausgebreitet ist, so findet es auch bei den Geistern statt, und in unserm Falle koͤnnen wir von den unkenntlichsten Spuren, durch unzaͤhlige Verblasungen bis zu den haͤrtesten Zuͤgen fortsteigen, und nicht allein der analogische Exempelschluß, sondern auch eine aufmerksame Beobachtung, und auf Versuche angewandte kalte Aufmerksamkeit, wird uns bei dem offenbar Naͤrrischen voͤllig das, und nichts mehr zeigen, was wir bei jedem Menschen wahrnehmen.

Jch habe zu genauerm Unterschiede angenommen, daß die Krankheit dieser Leute blos Seelenkrankheit sey. Wir bleiben fuͤr jetzt noch dabei, um mit ihrer Bezeichnung desto ungehinderter zu Stande kommen zu koͤnnen.

Sollte man wohl leugnen koͤnnen, daß die Reihe der Jdeen, die ein Mensch sein ganzes Leben hindurch fortsetzt, aus andern als aus geselligen Jdeen gebildet werde? Schon Leibnitz hat das behauptet, und man wird, so viel Muͤhe man sich auch geben mag ihm zu widersprechen, diesen Grundsatz doch schwerlich aufheben koͤnnen. Er hat mir wahr geschienen, schon ehe ich wußte daß Leibnitz ihn angenommen.*) Jch habe mich bemuͤht ihn

*) Ohne daß ich deswegen seiner Harmonie beifalle.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0115" n="113"/><lb/>
unsre Bru&#x0364;der seyn, und weniger uns selbst                         beipflichten.</p>
              <p>Wie nun aber das Gesetz der Sta&#x0364;ttigkeit in der Ko&#x0364;rperwelt ausgebreitet ist,                         so findet es auch bei den Geistern statt, und in unserm Falle ko&#x0364;nnen wir von                         den unkenntlichsten Spuren, durch unza&#x0364;hlige Verblasungen bis zu den                         ha&#x0364;rtesten Zu&#x0364;gen fortsteigen, und nicht allein der analogische Exempelschluß,                         sondern auch eine aufmerksame Beobachtung, und auf <hi rendition="#b">Versuche</hi> angewandte kalte Aufmerksamkeit, wird uns bei dem                         offenbar Na&#x0364;rrischen vo&#x0364;llig das, und nichts mehr zeigen, was wir bei jedem                         Menschen wahrnehmen.</p>
              <p>Jch habe zu genauerm Unterschiede angenommen, daß die Krankheit dieser Leute                         blos Seelenkrankheit sey. Wir bleiben fu&#x0364;r jetzt noch dabei, um mit ihrer                         Bezeichnung desto ungehinderter zu Stande kommen zu ko&#x0364;nnen.</p>
              <p>Sollte man wohl leugnen ko&#x0364;nnen, daß die Reihe der Jdeen, die ein Mensch sein                         ganzes Leben hindurch fortsetzt, aus andern als aus geselligen Jdeen                         gebildet werde? Schon Leibnitz hat das behauptet, und man wird, so viel Mu&#x0364;he                         man sich auch geben mag ihm zu widersprechen, diesen Grundsatz doch                         schwerlich aufheben ko&#x0364;nnen. Er hat mir wahr geschienen, schon ehe ich wußte                         daß Leibnitz ihn angenommen.*)<note place="foot"><p>*) Ohne daß ich deswegen                                 seiner Harmonie beifalle.</p></note> Jch habe mich bemu&#x0364;ht ihn<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0115] unsre Bruͤder seyn, und weniger uns selbst beipflichten. Wie nun aber das Gesetz der Staͤttigkeit in der Koͤrperwelt ausgebreitet ist, so findet es auch bei den Geistern statt, und in unserm Falle koͤnnen wir von den unkenntlichsten Spuren, durch unzaͤhlige Verblasungen bis zu den haͤrtesten Zuͤgen fortsteigen, und nicht allein der analogische Exempelschluß, sondern auch eine aufmerksame Beobachtung, und auf Versuche angewandte kalte Aufmerksamkeit, wird uns bei dem offenbar Naͤrrischen voͤllig das, und nichts mehr zeigen, was wir bei jedem Menschen wahrnehmen. Jch habe zu genauerm Unterschiede angenommen, daß die Krankheit dieser Leute blos Seelenkrankheit sey. Wir bleiben fuͤr jetzt noch dabei, um mit ihrer Bezeichnung desto ungehinderter zu Stande kommen zu koͤnnen. Sollte man wohl leugnen koͤnnen, daß die Reihe der Jdeen, die ein Mensch sein ganzes Leben hindurch fortsetzt, aus andern als aus geselligen Jdeen gebildet werde? Schon Leibnitz hat das behauptet, und man wird, so viel Muͤhe man sich auch geben mag ihm zu widersprechen, diesen Grundsatz doch schwerlich aufheben koͤnnen. Er hat mir wahr geschienen, schon ehe ich wußte daß Leibnitz ihn angenommen.*) Jch habe mich bemuͤht ihn *) Ohne daß ich deswegen seiner Harmonie beifalle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/115
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/115>, abgerufen am 21.11.2024.