Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


drückte; sie fingen also an, sich für ihn zu interessiren; verschaften ihm einige alte Kleidungsstücke, und Unterhaltung, während seines Aufenthalts in K. und riethen ihm zugleich, daß er, um seinen Zweck zu erlangen, nach B. reisen möchte.

Um aber diese Reise seinen Umständen gemäß einzurichten, riethen sie ihm ferner, er möchte von K. bis Stettin zu Schiffe reisen; von wo er nach Frankfurt an der Oder, und von dort nach B. leicht Gelegenheit finden würde.

B. J. gieng also zu Schiffe, und hatte zur Zehrung nichts mehr als ein geröstetes Brod, einige Heringe, und ein Fläschchen Branntwein. Man sagte ihm in K. daß diese Reise ohngefähr zehn und höchstens vierzehn Tage dauern könne. Diese Prophezeihung aber traf nicht ein. Die Reise dauerte, wegen kontrairer Winde, fünf Wochen.

Jn welchen Umständen B. J. sich hier befunden habe, kann man sich leicht vorstellen. Es waren auf dem Schiffe außer ihm keine andere Passagirer, als eine alte Frau, die beständig geistliche Lieder zu ihrem Troste sang. Er kannte so wenig die pommerisch-deutsche Sprache der Schiffsleute, als diese seine jüdisch-pol- nisch-litthauische Sprache verstanden; bekam die ganze Zeit durch nichts Warmes zu genießen, und mußte im Raum auf hart beladenen Säcken schlafen. Das Schiff gerieth auch einigemahl in Gefahr. Er, wie natürlich, war den größten Theil der Zeit schiffkrank.



druͤckte; sie fingen also an, sich fuͤr ihn zu interessiren; verschaften ihm einige alte Kleidungsstuͤcke, und Unterhaltung, waͤhrend seines Aufenthalts in K. und riethen ihm zugleich, daß er, um seinen Zweck zu erlangen, nach B. reisen moͤchte.

Um aber diese Reise seinen Umstaͤnden gemaͤß einzurichten, riethen sie ihm ferner, er moͤchte von K. bis Stettin zu Schiffe reisen; von wo er nach Frankfurt an der Oder, und von dort nach B. leicht Gelegenheit finden wuͤrde.

B. J. gieng also zu Schiffe, und hatte zur Zehrung nichts mehr als ein geroͤstetes Brod, einige Heringe, und ein Flaͤschchen Branntwein. Man sagte ihm in K. daß diese Reise ohngefaͤhr zehn und hoͤchstens vierzehn Tage dauern koͤnne. Diese Prophezeihung aber traf nicht ein. Die Reise dauerte, wegen kontrairer Winde, fuͤnf Wochen.

Jn welchen Umstaͤnden B. J. sich hier befunden habe, kann man sich leicht vorstellen. Es waren auf dem Schiffe außer ihm keine andere Passagirer, als eine alte Frau, die bestaͤndig geistliche Lieder zu ihrem Troste sang. Er kannte so wenig die pommerisch-deutsche Sprache der Schiffsleute, als diese seine juͤdisch-pol- nisch-litthauische Sprache verstanden; bekam die ganze Zeit durch nichts Warmes zu genießen, und mußte im Raum auf hart beladenen Saͤcken schlafen. Das Schiff gerieth auch einigemahl in Gefahr. Er, wie natuͤrlich, war den groͤßten Theil der Zeit schiffkrank.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0049" n="47"/><lb/>
dru&#x0364;ckte; sie fingen also an, sich fu&#x0364;r ihn zu interessiren; verschaften ihm                         einige alte Kleidungsstu&#x0364;cke, und Unterhaltung, wa&#x0364;hrend seines Aufenthalts in                         K. und riethen ihm zugleich, daß er, um seinen Zweck zu erlangen, nach B.                         reisen mo&#x0364;chte.</p>
            <p>Um aber diese Reise seinen Umsta&#x0364;nden gema&#x0364;ß einzurichten, riethen sie ihm                         ferner, er mo&#x0364;chte von K. bis Stettin zu Schiffe reisen; von wo er nach                         Frankfurt an der Oder, und von dort nach B. leicht Gelegenheit finden                         wu&#x0364;rde.</p>
            <p><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B.                                 J.</persName></hi> gieng also zu Schiffe, und hatte zur Zehrung                         nichts mehr als ein gero&#x0364;stetes Brod, einige Heringe, und ein Fla&#x0364;schchen                         Branntwein. Man sagte ihm in K. daß diese Reise ohngefa&#x0364;hr zehn und ho&#x0364;chstens                         vierzehn Tage dauern ko&#x0364;nne. Diese Prophezeihung aber traf nicht ein. Die                         Reise dauerte, wegen kontrairer Winde, fu&#x0364;nf Wochen.</p>
            <p>Jn welchen Umsta&#x0364;nden <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> sich hier befunden habe, kann man                         sich leicht vorstellen. Es waren auf dem Schiffe außer ihm keine andere                         Passagirer, als eine alte Frau, die besta&#x0364;ndig geistliche Lieder zu ihrem                         Troste sang. Er kannte so wenig die pommerisch-deutsche Sprache der                         Schiffsleute, als diese seine ju&#x0364;disch-pol- nisch-litthauische Sprache                         verstanden; bekam die ganze Zeit durch nichts Warmes zu genießen, und mußte                         im Raum auf hart beladenen Sa&#x0364;cken schlafen. Das Schiff gerieth auch                         einigemahl in Gefahr. Er, wie natu&#x0364;rlich, war den gro&#x0364;ßten Theil der Zeit                         schiffkrank.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0049] druͤckte; sie fingen also an, sich fuͤr ihn zu interessiren; verschaften ihm einige alte Kleidungsstuͤcke, und Unterhaltung, waͤhrend seines Aufenthalts in K. und riethen ihm zugleich, daß er, um seinen Zweck zu erlangen, nach B. reisen moͤchte. Um aber diese Reise seinen Umstaͤnden gemaͤß einzurichten, riethen sie ihm ferner, er moͤchte von K. bis Stettin zu Schiffe reisen; von wo er nach Frankfurt an der Oder, und von dort nach B. leicht Gelegenheit finden wuͤrde. B. J. gieng also zu Schiffe, und hatte zur Zehrung nichts mehr als ein geroͤstetes Brod, einige Heringe, und ein Flaͤschchen Branntwein. Man sagte ihm in K. daß diese Reise ohngefaͤhr zehn und hoͤchstens vierzehn Tage dauern koͤnne. Diese Prophezeihung aber traf nicht ein. Die Reise dauerte, wegen kontrairer Winde, fuͤnf Wochen. Jn welchen Umstaͤnden B. J. sich hier befunden habe, kann man sich leicht vorstellen. Es waren auf dem Schiffe außer ihm keine andere Passagirer, als eine alte Frau, die bestaͤndig geistliche Lieder zu ihrem Troste sang. Er kannte so wenig die pommerisch-deutsche Sprache der Schiffsleute, als diese seine juͤdisch-pol- nisch-litthauische Sprache verstanden; bekam die ganze Zeit durch nichts Warmes zu genießen, und mußte im Raum auf hart beladenen Saͤcken schlafen. Das Schiff gerieth auch einigemahl in Gefahr. Er, wie natuͤrlich, war den groͤßten Theil der Zeit schiffkrank.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/49
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/49>, abgerufen am 03.12.2024.