Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Mehrentheils setzt man die Ursache, warum im Traume die Einbildungskraft so außerordentlich herrschend ist, in den beinahe gänzlichen Mangel der sinnlichen Empfindung, der in diesem Zustande vorhanden ist. Allein es frägt sich: warum erhalten nicht durch den Mangel an sinnlichen Empfindungen auch die höhern Seelenkräfte einen höhern Schwung?*) warum sinken sie vielmehr so tief *) Diese Frage habe ich schon im gedachten Aufsatze auf folgende Art beantwortet. Jm Schlafe verliert der Körper seine zur Wirksamkeit der Seele (nach der bekannten Harmonie zwischen Seele und Körper) erforderliche Spannung. Jm Traume bekommt er zum Theil diese Spannung wieder. Die Einbildungskraft zeigt sich alsdann thätig in Ansehung derjenigen Associationsarten, die keine Selbstmacht der Seele erfordern (der Aehnlichkeit, Konsistenz und Sukzession), d.h. solcher, worin die associirten Jdeen schon durch die äußern Objekte bestimmt werden, nicht aber in Ansehung der Associationsart der nothwendigen Dependenz (von Grund und Folge), die eine Selbstmacht der Urtheilskraft erfordert, welche der Grund der Zweckmäßigkeit der Jdeenreihe ist. Trift es sich aber zufälligerweise zu, daß diese beiderlei Associationsarten in ihrer Würkung übereinstimmen, alsdann wird nicht nur die Einbildungskraft, sondern auch die höhern Seelenkräfte in Wirksamkeit gesetzt. Man geräth alsdann wirklich auf neue Erfindungen in Wissenschaften, auf Auflösungen schwererer Probleme u. dergl. Da aber der Fall sich sehr selten ereignet, daß z.B. die Associationsart der Konsistenz mit der der Dependenz in den Objekten übereinstimmen sollen, so darf freilich niemand darauf Rechnung machen, und jeder thut daher am besten, wenn er seine Untersuchungen hübsch wachend anstellt. -- Der Verfasser scheint (ob zwar mit Umschweif) eben dasselbe zu sagen. S. M.
Mehrentheils setzt man die Ursache, warum im Traume die Einbildungskraft so außerordentlich herrschend ist, in den beinahe gaͤnzlichen Mangel der sinnlichen Empfindung, der in diesem Zustande vorhanden ist. Allein es fraͤgt sich: warum erhalten nicht durch den Mangel an sinnlichen Empfindungen auch die hoͤhern Seelenkraͤfte einen hoͤhern Schwung?*) warum sinken sie vielmehr so tief *) Diese Frage habe ich schon im gedachten Aufsatze auf folgende Art beantwortet. Jm Schlafe verliert der Koͤrper seine zur Wirksamkeit der Seele (nach der bekannten Harmonie zwischen Seele und Koͤrper) erforderliche Spannung. Jm Traume bekommt er zum Theil diese Spannung wieder. Die Einbildungskraft zeigt sich alsdann thaͤtig in Ansehung derjenigen Associationsarten, die keine Selbstmacht der Seele erfordern (der Aehnlichkeit, Konsistenz und Sukzession), d.h. solcher, worin die associirten Jdeen schon durch die aͤußern Objekte bestimmt werden, nicht aber in Ansehung der Associationsart der nothwendigen Dependenz (von Grund und Folge), die eine Selbstmacht der Urtheilskraft erfordert, welche der Grund der Zweckmaͤßigkeit der Jdeenreihe ist. Trift es sich aber zufaͤlligerweise zu, daß diese beiderlei Associationsarten in ihrer Wuͤrkung uͤbereinstimmen, alsdann wird nicht nur die Einbildungskraft, sondern auch die hoͤhern Seelenkraͤfte in Wirksamkeit gesetzt. Man geraͤth alsdann wirklich auf neue Erfindungen in Wissenschaften, auf Aufloͤsungen schwererer Probleme u. dergl. Da aber der Fall sich sehr selten ereignet, daß z.B. die Associationsart der Konsistenz mit der der Dependenz in den Objekten uͤbereinstimmen sollen, so darf freilich niemand darauf Rechnung machen, und jeder thut daher am besten, wenn er seine Untersuchungen huͤbsch wachend anstellt. — Der Verfasser scheint (ob zwar mit Umschweif) eben dasselbe zu sagen. S. M.
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aus Vernunftgruͤnden den Mangel einer wahren Wirklichkeit. Es muß demnach die Ursache angegeben werden, warum bei einem unvollkommenen Bewußtsein, also auch im Traume, von dem wir hier vorzuͤglich handeln, die Einbildungskraft einen weit hoͤhern Grad von Staͤrke hat, die hoͤhern Seelenkraͤfte aber einen weit geringern haben, wenn unsre Behauptung erwiesen sein, und die Entstehung einer Taͤuschung sich erklaͤren soll.
Mehrentheils setzt man die Ursache, warum im Traume die Einbildungskraft so außerordentlich herrschend ist, in den beinahe gaͤnzlichen Mangel der sinnlichen Empfindung, der in diesem Zustande vorhanden ist. Allein es fraͤgt sich: warum erhalten nicht durch den Mangel an sinnlichen Empfindungen auch die hoͤhern Seelenkraͤfte einen hoͤhern Schwung?*) warum sinken sie vielmehr so tief
*) Diese Frage habe ich schon im gedachten Aufsatze auf folgende Art beantwortet. Jm Schlafe verliert der Koͤrper seine zur Wirksamkeit der Seele (nach der bekannten Harmonie zwischen Seele und Koͤrper) erforderliche Spannung. Jm Traume bekommt er zum Theil diese Spannung wieder. Die Einbildungskraft zeigt sich alsdann thaͤtig in Ansehung derjenigen Associationsarten, die keine Selbstmacht der Seele erfordern (der Aehnlichkeit, Konsistenz und Sukzession), d.h. solcher, worin die associirten Jdeen schon durch die aͤußern Objekte bestimmt werden, nicht aber in Ansehung der Associationsart der nothwendigen Dependenz (von Grund und Folge), die eine Selbstmacht der Urtheilskraft erfordert, welche der Grund der Zweckmaͤßigkeit der Jdeenreihe ist. Trift es sich aber zufaͤlligerweise zu, daß diese beiderlei Associationsarten in ihrer Wuͤrkung uͤbereinstimmen, alsdann wird nicht nur die Einbildungskraft, sondern auch die hoͤhern Seelenkraͤfte in Wirksamkeit gesetzt. Man geraͤth alsdann wirklich auf neue Erfindungen in Wissenschaften, auf Aufloͤsungen schwererer Probleme u. dergl. Da aber der Fall sich sehr selten ereignet, daß z.B. die Associationsart der Konsistenz mit der der Dependenz in den Objekten uͤbereinstimmen sollen, so darf freilich niemand darauf Rechnung machen, und jeder thut daher am besten, wenn er seine Untersuchungen huͤbsch wachend anstellt. — Der Verfasser scheint (ob zwar mit Umschweif) eben dasselbe zu sagen.
S. M.
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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