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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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bernen Jrrthümern zu überzeugen (mehrentheils wohl um mir durch thätige Beweise den kützelnden Beifall geben zu können, daß ich über diese Thorheiten wäre), allein ich richtete nie Etwas aus. Wer ihr beistimmte, der war ihr angenehm, und nie wurde sie gesprächiger, als wenn von dergleichen Dingen die Rede war, und man sich glaubend stellte. -- So lebte sie bis in ihr vierzigstes Jahr, da eine entscheidende Katastrophe sie ihrem 13jährigen Aufenthalte in meinem Hause, und meinen fernern Beobachtungen entzog. Jhr dank ich vorzüglich die Erfahrungen, die ich über die Denkart und die Begriffe des Pöbels gesammelt habe.

Jm Sommer des Jahres 85 war es, da ich eines Sonnabends Nachmittage diese abgebrochene Worte vor der Hausthür zischeln hörte: behext ... Keiner mehr was anthun .. dieses Kraut in der rechten Fikke .. Pulver . gut wider böse Menschen ...... auf ihrer Hut . über acht Tage .. großes Unglück in diesem Hause geschehen ..... Länger konnte ich es nicht aushalten, ich merkte was vorginge, und wollte wissen, was da gesprochen würde, aber da wollte keines mit der Sprache heraus. Jch erblickte ein altes schmutziges Weib, das eben beschäftigt war eine Handvoll Geld in die Tasche zu schieben, und die Wundergläubige, die sich mit einem Bündel dürres Kraut und einem Pulver in der Hand, in sichtbarer Verwirrung eiligst entfernte.


bernen Jrrthuͤmern zu uͤberzeugen (mehrentheils wohl um mir durch thaͤtige Beweise den kuͤtzelnden Beifall geben zu koͤnnen, daß ich uͤber diese Thorheiten waͤre), allein ich richtete nie Etwas aus. Wer ihr beistimmte, der war ihr angenehm, und nie wurde sie gespraͤchiger, als wenn von dergleichen Dingen die Rede war, und man sich glaubend stellte. — So lebte sie bis in ihr vierzigstes Jahr, da eine entscheidende Katastrophe sie ihrem 13jaͤhrigen Aufenthalte in meinem Hause, und meinen fernern Beobachtungen entzog. Jhr dank ich vorzuͤglich die Erfahrungen, die ich uͤber die Denkart und die Begriffe des Poͤbels gesammelt habe.

Jm Sommer des Jahres 85 war es, da ich eines Sonnabends Nachmittage diese abgebrochene Worte vor der Hausthuͤr zischeln hoͤrte: behext ... Keiner mehr was anthun .. dieses Kraut in der rechten Fikke .. Pulver . gut wider boͤse Menschen ...... auf ihrer Hut . uͤber acht Tage .. großes Ungluͤck in diesem Hause geschehen ..... Laͤnger konnte ich es nicht aushalten, ich merkte was vorginge, und wollte wissen, was da gesprochen wuͤrde, aber da wollte keines mit der Sprache heraus. Jch erblickte ein altes schmutziges Weib, das eben beschaͤftigt war eine Handvoll Geld in die Tasche zu schieben, und die Wunderglaͤubige, die sich mit einem Buͤndel duͤrres Kraut und einem Pulver in der Hand, in sichtbarer Verwirrung eiligst entfernte.

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[29/0029] bernen Jrrthuͤmern zu uͤberzeugen (mehrentheils wohl um mir durch thaͤtige Beweise den kuͤtzelnden Beifall geben zu koͤnnen, daß ich uͤber diese Thorheiten waͤre), allein ich richtete nie Etwas aus. Wer ihr beistimmte, der war ihr angenehm, und nie wurde sie gespraͤchiger, als wenn von dergleichen Dingen die Rede war, und man sich glaubend stellte. — So lebte sie bis in ihr vierzigstes Jahr, da eine entscheidende Katastrophe sie ihrem 13jaͤhrigen Aufenthalte in meinem Hause, und meinen fernern Beobachtungen entzog. Jhr dank ich vorzuͤglich die Erfahrungen, die ich uͤber die Denkart und die Begriffe des Poͤbels gesammelt habe. Jm Sommer des Jahres 85 war es, da ich eines Sonnabends Nachmittage diese abgebrochene Worte vor der Hausthuͤr zischeln hoͤrte: behext ... Keiner mehr was anthun .. dieses Kraut in der rechten Fikke .. Pulver . gut wider boͤse Menschen ...... auf ihrer Hut . uͤber acht Tage .. großes Ungluͤck in diesem Hause geschehen ..... Laͤnger konnte ich es nicht aushalten, ich merkte was vorginge, und wollte wissen, was da gesprochen wuͤrde, aber da wollte keines mit der Sprache heraus. Jch erblickte ein altes schmutziges Weib, das eben beschaͤftigt war eine Handvoll Geld in die Tasche zu schieben, und die Wunderglaͤubige, die sich mit einem Buͤndel duͤrres Kraut und einem Pulver in der Hand, in sichtbarer Verwirrung eiligst entfernte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/29>, abgerufen am 23.11.2024.